Die Ruine ist äußerst instabil

KATASTROPHE In Bangladesch bemühen sich Feuerwehr, Militär und Angehörige weiter, Eingeklemmte am Leben zu halten. Der Besitzer des eingestürzten Gebäudes und die Eigentümer der Textilfabriken sind abgetaucht

VON SVEN HANSEN

BERLIN taz | Zahlreiche Überlebende, die immer wieder um Hilfe rufen, sind auch am Donnerstag noch in den Trümmern des Rana Plaza eingeklemmt. Zum Teil sind sie nur noch durch Notamputationen zu retten. Bisher konnten 1.500 Personen – meist verletzt – gerettet werden oder sich selbst befreien. Feuerwehr, Militär und Angehörige bemühen sich weiter, Eingeklemmte wenigstens mit Wasser und Sauerstoff zu versorgen und so am Leben zu halten. Doch die Ruine ist äußerst instabil, was Retter und Überlebende gefährdet. Auf schweres Räumgerät muss verzichtet werden.

Am Dienstag waren große Risse in dem Gebäude in Savar, 30 Kilometer westlich von Dhaka, entdeckt worden. Sogar das Fernsehen berichtete darüber. Nach Angaben bangladeschischer Medien war der Komplex 2007 illegal errichtet worden. Eigentümer Sohel Rana hatte am Dienstag die behördliche Anweisung erhalten, das Gebäude bis zu einer genaueren Überprüfung zu sperren. Eine Bank im Erdgeschoss schickte ihre Mitarbeiter nach Hause – doch Rana und die Fabrikmanager behaupteten, das Gebäude sei stabil. „Es werden gleich drei Tage Lohn abgezogen, wenn wir einen Tag fehlen“, erklärte eine Überlebende der Zeitung The Daily Star. „Niemand von uns wollte das Gebäude betreten. Doch die Bosse zwangen uns mit Knüppeln dazu“, zitierte die Onlinezeitung bdnews24.com einen Arbeiter.

Rana hatte die vier obersten Stockwerke nachträglich auf das Gebäude setzen lassen, dessen Statik dafür offenbar nicht ausgelegt war. Beim Einsturz blieb nur das Erdgeschoss stehen. Rana ist ein bekannter Jugendpolitiker der regierenden Awami-Liga von Ministerpräsidentin Sheikh Hasina. Ihm werfen die Behörden auch vor, schlechte Baumaterialien verwendet zu haben. Er und die Eigentümer der Fabriken sind abgetaucht.

Zwei der fünf betroffenen Fabriken hatten kürzlich ein Audit der Business Social Compliance Initiative (BSCI) aus Brüssel bestanden. Die BSCI gehört zur Foreign Trade Association, in der Außenhandelsfirmen Mindeststandards durchsetzen und mit Verhaltenskodizes den Druck von Verbraucherorganisationen mindern wollen. Nach eigenen Angaben überprüfte BSCI nur Arbeitsschutz in den Fabriken, aber „verlässt sich auf die lokalen Behörden bei der Sicherheit von Bauten und Infrastruktur“.

Fast alle großen westlichen Textilmarken produzieren in Bangladesch. Ihre Einkäufer drängen auf niedrigste Preise. Bangladeschs Textilunternehmer sind politisch einflussreich. Die schwachen Gewerkschaften werden dagegen unterdrückt. Erst im vergangenen Jahr wurde ein Textilgewerkschaftsführer ermordet.