Ich nenne es Sally

GENUSS Pferdefleisch schmeckt vorzüglich – kein Wunder, so wie die Tiere zuvor gehätschelt wurden. Ein Selbstversuch

Ich habe heute mal wieder nach dem verhassten Telefonhörer gegriffen, ein bisschen herumtelefoniert, meinen Namen genannt und dann ging es meist so weiter:

Hey, Alter, lang nichts gehört. Was gibt‘s?

Pferdefleisch. Zum Abendessen. Willst du vorbeikommen?

Pferdefleisch? Haha. Echt jetzt?

Ja, ein Selbstversuch für die Zeitung. Soll gut schmecken, völlig unterbewertet.

Ähm, ja, das glaub ich dir gerne, aber weißt du, heute ist schlecht, fühl mich so ein bisschen krank, als wäre da ne Erkältung im Anzug.

Na gut, werde ich das Zeug halt meinen Kindern auftischen.

Kaufen lässt sich Pferdefleisch am besten in Harburg. Dort gibt es die in Szenekreisen renommierte Ross-Schlachterei Klaus Schulenburg und fündig wird man auch auf dem Wochenmarkt nahe des Rathauses. An der Würstchenbude werden heiße Ross-Knacker offeriert, ein paar Wurstlängen weiter steht der Wagen von „Harry`s Ross-Spezialitäten“.

Hinter dem Tresen steht eine junge Frau, blond, blaue Augen, Pferdeschwanz, – wie geschaffen, flüstert das Klischee, um auf dem Rücken der Vierbeiner zu sitzen. Sie erzählt von der Metzgerei in Norderstedt, vom Gesundheitspass der Pferde, dass sie aus dem Umland kämen, dass Pferdefleisch gerade einen Aufschwung erfahre, weil sich ältere Menschen jetzt oft erinnern, es nach dem Krieg, in magereren Zeiten, doch oft gegessen zu haben.

Ich nehme drei Scheiben Filet und ein paar Brat-Tipps mit nach Hause (in Olivenöl mit Curry- und Paprika-Pulver marinieren, etwas kürzer in die Pfanne als Rind, erst auf dem Teller salzen und pfeffern, sonst trocknet das fettarme Fleisch aus). Das schönste aber, was ich nach Hause nehme, ist das Wissen um die Herkunft dieses Fleisches, vage genug, um der Fantasie keine Grenzen zu setzen.

In Deutschland gibt es keine Zuchthaltung für die Ernährungsindustrie, die Pferde kommen meist aus ganz normalen, vielleicht etwas besser situieren Haushalten. Sie kommen, verglichen mit Massentierhaltung, aus einer heilen Welt: Ich denke an die ehemaligen Besitzer, die das, was jetzt mein Fleisch ist, einmal geliebt haben, gestriegelt und getätschelt. Ich höre ihre Worte: Ho, feiner Kerl, so ist‘s brav, und ich höre das Pferd durch seine Nüstern schnauben, wie es wiehert, ein bisschen so, als ob es lachte. Ich frage mich, wie es wohl geheißen haben mag. Hunde nennt man Hasso, so weit ich weiß, aber Pferde? Keine Ahnung. Ich nenne es Sally.

Meine Kinder mögen Sally, als sie aus der Pfanne kommt. Mit feinen Rissen überzogen, aus denen rötlicher Saft quillt, wenn man mit der Gabel drauf drückt, macht sie auch optisch einiges her. Und schmecken tut sie ganz vorzüglich. Die Verkäuferin hatte gesagt, geschmacklich läge Pferd zwischen Rind und Wild. Das kann ich nicht beurteilen, weil ich zu selten Fleisch brate. Wenn überhaupt, dann von Tieren, die einmal einen Namen trugen und deren Geschichte man am Tisch erzählen kann.MAXIMILIAN PROBST