Plötzlich jubeln ihr die Leute zu

DIE PORTUGIESIN Catarina Principe referiert über ihre Heimat. Sie will mehr als braven Protest

■ Die Gewerkschafter: Ein „soziales Europa“ fordert der DGB. Die aktuelle Kürzungspolitik sorge für „eine Spirale nach unten“, heißt es im Aufruf. „Sie trifft nicht die Krisenverursacher, sondern die Krisenopfer.“ Vor dem Brandenburger Tor soll Lars Lindgren sprechen, Präsident der Europäischen Transportarbeiterföderation.

■ Die Revoluzzer: Auch die „18-Uhr-Demo“ hat die EU-Sparpolitik im Fokus, zieht deshalb gen Regierungsviertel. Unter deutscher Führung stürze die Troika „Massen ins Elend“, so die Veranstalter. An der Demospitze soll eine Delegation aus Griechenland und Spanien laufen, als Zeichen „internationaler Solidarität“. (ko)

Als die Zuhörer Catarina Principe zuzujubeln beginnen, lebt sie gerade seit etwas mehr als einem Jahr in Deutschland. „Kapitalismus versus Demokratie“ ist der Titel des Kongresses im vergangenen Dezember in Köln, organisiert vom Studierendenverband der Linken (SDS). Principe, 27 Jahre, spricht darüber, wie es in ihrer portugiesischen Heimat nach dem Generalstreik vom November weitergehen soll; dass die Bewegung gegen das Spardiktat der Regierung mehr lokale Verwurzelung, Aktionismus und nicht nur braven, parlamentarischen Widerstand brauche. Der anschließende Applaus ist laut und lang, sogar Sprechchöre hallen durch den Raum.

„Das fanden etliche meiner SDS-Freunde sehr befremdlich“, sagt Principe. Tosender Applaus? Da gebe doch jeder seine Individualität für die Masse auf, sagten sie stirnrunzelnd.

„Ich bin Aktivistin, seit ich 15 Jahre alt war“, sagt sie. Als Principe ihre ersten Demos in Deutschland erlebt, „war das schon ein Kulturschock“: die Zahl der Banner überschaubar, kaum gemeinsame Sprechchöre, dafür elektronische Musik. Ihr sei schon klar, dass hier viele eine historisch konnotierte Aversion gegen kollektive Bewegungserfahrungen hegen. Aber einfacher mache das den Protest gegen die neoliberale Sparpolitik in Europa nicht.

Principe ist in Porto aufgewachsen, hat in Lissabon Literatur- und Kulturwissenschaften studiert. Vielleicht wäre sie sowieso nach Berlin gezogen, sie kennt die Stadt und Deutschland, ihr Vater lebt in Tübingen. Doch die Einsparungen im öffentlichen Dienst, die Gehaltskürzungen für ihre als Lehrerin arbeitende Mutter, die strikte Ausweitung der Präsenzzeit in der Uni, die ihr kaum Zeit zum Arbeiten lässt, um den Studienkredit abzubezahlen, schürten den Umzug.

In Lissabon hatte sie ein paar Monate zuvor Freunde ihres Vaters aus Berlin beherbergt, als die zu einem Politkongress in der Stadt waren – über den Kontakt fand sie schnell eine Wohnung in Neukölln und Anschluss in der Stadt, bald darauf einen Bürojob bei einem Start-up.

Als sie im Herbst 2012 an der Humboldt-Uni mit ihrem Master in Gender-Studies beginnt, findet sie im SDS den Ort, „an dem es etwas für mich zu tun gibt“. Sie spricht in Köln, Oberhausen und im Wedding über die Situation in Portugal, wo sie zuletzt im März war, als eine Million Menschen auf die Straße gingen. Ihre Tour geht weiter: Ihre nächsten Vorträge sind in Nürnberg, Hamburg, Freiburg und Frankfurt.

SEBASTIAN PUSCHNER