Sie lagen auf Matten. Nebeneinander

HAUSBESUCH Beide lernten Karate. Liebe? Nicht gleich. Aber dann: mit Hochzeit. Charlotte und Gisela in Müncheberg

VON SUSANNE MESSMER
(TEXT) UND AMÉLIE LOSIER (FOTOS)

Landkreis Märkisch-Oderland, Gemeinde Stadt Müncheberg, am Rande der Märkischen Schweiz, zu Hause bei Charlotte Schmidt (52), Gisela Wiehe (51), Hund Lene (15) und Katze Moni (3).

Draußen: Ein Backsteinhaus, von dem der Putz blättert. Große Holzsprossenfenster. Neben dem Haus ein ehemaliger, jetzt ausgebauter Stall. Das meergrün lasierte Holztor zwischen den Häusern öffnet sich zum Hof: vergrastes Pflaster, ein japanischer Kirschbaum, ein Feldahorn, eine Feuerstelle, eine Holzterrasse mit weißen Gartenstühlen und Blumentöpfen. Überall Steinhaufen, Schubkarren, Zinkgießkannen. Aus dem Hof führt ein Wiesenweg zum See. Drüber kreist ein Seeadler.

Drin: Im ausgebauten Stall eine kleine Ferienwohnung mit Garten, im ersten Stock des Wohnhauses eine große Ferienwohnung mit Balkon. Die Wohnung von Gisela und Charlotte: im Erdgeschoss. Man betritt sie über die Holzterrasse. Die Küche teils von Ikea, ein Tisch für zwei, ein großer Tulpenstrauß. Im Wohnbereich: Kachelofen, abgebeizter Bauernschrank, modernes Ecksofa, Sessel aus den Sechzigern, kleiner Flachbildfernseher.

Wer macht was? Charlotte ist seit 1998 selbstständige Architektin. Hat viele Projekte im Umland betreut, etwa den Hollerhof, ein Wohnhaus für eine ehemalige Pastorin der Gemeinde. Zurzeit pendelt sie täglich außer freitags nach Berlin. Dort Arbeit für ein Architekturbüro. Aufstehen morgens um halb sechs, zu Hause abends um sechs („drei Stunden Fahrt am Tag, die fehlen“). Gisela ist seit 1995 freie Drehbuchautorin für Vorabendsoaps wie „Lindenstraße“ und „Gute Zeiten, Schlechte Zeiten“ („solides Handwerk“). Bei einer argentinischen Telenovela hat sie die schwulenfeindlichen Storylines umgeschrieben („die wären sowieso rausgeflogen“). Im Moment keine Serie, sie macht mehr am Hof („genieße das Einsame sehr“). Einmal die Woche nach Berlin, zur Zen-Meditation.

Wer denkt was? Gisela: „Entvölkerung ist hier weniger ein Thema. Wegen der Bahnlinie.“ Als letztes Jahr Gerüchte durch die Presse geisterten, dass ihr Bahnhof geschlossen werden soll, haben sie eine Bürgerinitiative gegründet. Gisela: „Wir treffen uns jede Woche.“ Charlotte: Fährt gleich zu ihrem Vater, der 93 ist. „Ich bin empört. In diesem hoch entwickelten Land werden alte Menschen sterben gelassen.“

Gisela: Kommt aus Oer-Erkenschwick, einer Kleinstadt im Ruhrgebiet, inzwischen „total zugebaut und voll“. Liebt deshalb ihren „leeren Osten“. Grundstudium der Germanistik und Politologie in Marburg, dann Berlin. Dort mehr Zeit im Frauen-Karateverein verbracht als an der Uni. War Trainerin im Nationalteam, Vizeeuropameisterin und in Japan auf dem Wettkampf, wo sie Zen kennen gelernt hat.

Charlotte: Bei Frankfurt aufgewachsen, dann Umzug nach Norddeutschland. Die Eltern wollten, dass wenigstens eines der vier Kinder die Apotheke übernimmt. Nach der Schule trotzdem Versuch mit einem Tischlereipraktikum in München. Danach Architekturstudium in Berlin. Ging einfach in die Vorlesung, durfte bleiben und die Aufnahmeprüfung ein Jahr später nachholen („Das war für mich Berlin“). Nach der Wende und zehn Jahren in der Stadt: „In Brandenburg sah damals alles aus wie in den Sechzigern im Westen.“ (Gisela) Wenig Autos, Kornblumen auf dem Bürgersteig, Holzscheunen. „War wahnsinnig romantisch.“ (Charlotte)

Das erste Date: Trafen sich 1987 beim Karate. Gisela: „Wir haben uns viel Zeit gelassen.“ Richtig gefunkt hat es erst, als sie zusammen auf einem Lehrgang in Bad Schwalbach waren. Nachts haben alle zusammen in einer Sporthalle geschlafen. Gisela: „Auf den verschwitzen Turnmatten“. Charlotte: „Unsere lagen nicht zufällig nebeneinander.“ Dann die Einzimmerwohnung in der Berliner Großbeerenstraße, wo sie lang gewohnt haben. Gisela: „Das hat uns voll ausgereicht.“

Die Hochzeit: Vor vier Jahren – nach zwanzig Jahren Beziehung. Hauptsächlich, weil die Gleichstellung im Erbrecht durch war. Eine Vernunftehe. Charlotte: „Ohne Brimborium.“ Gisela: „Charlotte im Kapuzen-T-Shirt!“

Der Alltag: Charlotte steht auf und weckt Gisela mit einem starken Espresso. Dann bringt Gisela Charlotte mit dem Auto zum Bahnhof. Charlotte: Frühstück im Zug, Fachzeitschriften. Gisela: Nach Hause, gleich loslegen. Am Schreibtisch oder am Haus („Listen abarbeiten!“). Am Abend oft eine warme Mahlzeit, die Gisela kocht. Gisela: „Meist, was die Biobäuerin nebenan gerade da hat.“ Zum Abschluss des Tages Sahnequark mit Schokoraspeln bei den „Tagesthemen“. Gisela: „Beim Wetter schläft Charlotte schon ein.“ Am Wochenende oft Besuch aus Berlin, auch Hofpartys und Bauaktionen mit vielen Frauen.

Wie finden Sie Merkel? Charlotte: „Ihre preußische Art: beeindruckend. Wenig sagen, einfach machen. Aber ihre Politik?“ Gisela: „Die Ausgrenzung von Lesben und Schwulen, die sie vertritt: Das ist für mich Hasspolitik!“

Wann sind Sie glücklich? Charlotte: „Nach dem Sport“. Gisela: „Manchmal einfach so. Oft nach dem Bauen, wenn etwas gut geworden ist.“

Nächste Woche treffen wir Barbara-Anne Möhlmann in Klein Schneen, Landkreis Göttingen. Wenn Sie auch von uns besucht werden möchten, schicken Sie uns eine Mail an hausbesuch@taz.de