Bahn zahlt 70 Millionen Euro Entschädigung an die Kunden

NAHVERKEHR Frühestens im kommenden Jahr wird die S-Bahn wieder mit allen Zügen im Einsatz sein

Die Stammkunden der S-Bahn sollen mit zwei weiteren Monaten freier Fahrt für die Zugausfälle entschädigt werden. Dies kündigte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an. Auch Gelegenheitsfahrer sollen von dem Paket profitieren, das die Deutsche Bahn (DB) nach Angaben von Grube 70 Millionen Euro kostet. Die S-Bahn gehört zur DB. Wowereit sagte, die Fahrgäste müssten für diese Entschädigung nicht dankbar sein: „Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass für eine Schlechtleistung nicht voll bezahlt wird.“

Wer eine Jahreskarte hat, erhält ein Sechstel des Kaufpreises zurück. Für Monatskarten mit einem festen Gültigkeitszeitraum und für das Sozialticket gibt es zweimal 15 Euro zurück. Gleitende Monatskarten sollen zwei Wochen länger gelten. Außerdem wird an mehreren Wochenenden die Karte für eine einzelne Fahrt als Tageskarte gelten. Weitere Details nannte Grube nicht.

Der Bahn-Chef stellte zudem einen Zeitplan vor: Derzeit sind 317 Viertelzüge auf den Schienen, bis Dezember sollen es schrittweise 501 sein. Doch den Normalbetrieb mit gut 550 Zügen werde es erst 2011 geben.

Kritik an Wowereit

Opposition und Fahrgastverbände reagierten zwiegespalten. Die Grünen begrüßten zwar wie die CDU grundsätzlich die Entschädigungsregelung. Letztlich aber sei sie „nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop. Sie sehe immer noch keinen Aktionsplan, um die Krise zu bewältigen. Für die Union kommt die Entschädigung zu spät. Wowereit habe es nicht geschafft, der Bahn eine Erfolgsgarantie abzuringen. „So fehlt der Vereinbarung jede Verbindlichkeit, und eine langfristige Sanierungsstrategie ist ebenfalls nicht erkennbar“, so CDU-Chef Frank Henkel.

Auch der Fahrgastverband Igeb sieht zwar in der Entschädigung „einen Schritt in die richtige Richtung“, so Igeb-Vizechef Jens Wieseke. Es fehle jedoch eine konzeptionelle Aussage, wie mit dem Wagenmangel umgegangen wird. Der Verband Pro Bahn forderte spürbare Sanktionen gegen die S-Bahn-Manager.

Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Jan Mücke (FDP), trat gegenüber der taz Forderungen nach einem stärkeren Eingreifen seines Hauses entgegen. Kritiker hatten wiederholt darauf verwiesen, dass der Bund doch Eigentümer der Deutschen Bahn AG sei und somit sagen könne, wo es langgeht. „Das klingt erst mal sehr schlüssig, ist aber nicht so“, sagte Mücke. Das Aktiengesetz schreibe vor, dass der Aufsichtsrat der Bahn AG – dort ist die Bundesregierung mit drei Staatssekretären vertreten – nicht in das operative Geschäft eingreifen dürfe, „und schon gar nicht in die Geschäftspolitik eines Tochterunternehmens wie der S-Bahn“. Kritiker verweisen darauf, dass die Bundesregierung unabhängig von den Vorgaben des Aktiengesetzes politisch auf die Bahnspitze einwirken könne. S. ALBERTI, S. HEISER

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