Die Renaissance des Goldes

Der Goldpreis boomt und erreicht historische Höchststände. Trotzdem glauben Analysten, dass der Kurs weiter steigt

BERLIN taz ■ Der Goldpreis steigt und steigt. Allein in den letzten vier Monaten legte das Edelmetall um 20 Prozent zu. Gestern wurde die Feinunze mit 530 US-Dollar gehandelt. So wertvoll war Gold zuletzt 1980. Der Goldpreis dürfte weiter boomen: „700 Dollar pro Unze sehen wir auf jeden Fall über kurz oder lang“, schätzt der Goldexperte Martin Siegel.

Einen Goldcrash wie 1980 fürchten Analysten noch nicht. Damals stürzte der Goldpreis von seinem Allzeithoch, 850 Dollar, jäh ab. Seitdem war Gold fast 20 Jahre lang als Anlageobjekt für Spinner verschrien. 1999 kostete die Feinunze nur noch 252 Dollar. Die Wende kam dann vor etwa fünf Jahren – seither erholt sich der Goldpreis wieder.

Ein Grund für den neuen Boom: Die Großanleger fürchten, dass die hoch verschuldete US-Wirtschaft in die Krise geraten könnte. „Die Defizite der USA sind auf Dauer nicht tragbar“, sagt Anlagespezialist Karl Strohmeier von der Baden-Würtembergischen Bank. Sinkende Zinsen und riskante Aktienkurse machen Alternativen ebenfalls interessant. „Das Kapital sucht sich neue Anlageformen.“

Nun sind wieder krisensichere Werte gefragt. Nach dem letzten Goldcrash reduzierten viele Fonds ihre Goldanlagen von zehn Prozent auf unter ein Prozent ihres Kapitals. Dieser Anteil soll wieder wachsen. Vor allem US-Pensionsfonds und Fonds aus Asien haben in letzter Zeit stark in Edelmetalle investiert.

Der Run auf das Gold fügt sich in einen generellen Boom der Rohstoffmärkte ein. Auch die Preise für Platin, Kupfer, Zink und Nickel sind in den letzten Jahren gestiegen. Seit Ende der 90er-Jahre explodiert die Nachfrage dieser „Stiefkinder der Geldanlage“. Im Unterschied zu den krisengeschüttelten Aktien-, Anleihen- und Immobilienmärkten sagt der Experte Jim Rogers den Rohstoffen „eine noch wenigstens zehn Jahre dauernde Hausse“ voraus. Nach einer Umfrage will jeder dritte professionelle Anleger den Rohstoffanteil im Portfolio ausbauen.

Martin Siegel macht einen weiteren Grund aus: „Wir beobachten eine Renaissance der Inflation. Die Wirtschaft kann nicht langsamer wachsen als die Geldmenge. Irgendwo muss das Geld investiert werden. Bisher waren es die US-Immobilienpreise, jetzt bildet sich eine spekulative Blase auf dem Goldmarkt.“

Der hohe Goldpreis steigt aber auch, weil immer mehr Konsumenten in Asien Goldschmuck kaufen: „Die physische Nachfrage in China und Indien ist der Hauptgrund für den hohen Goldpreis“, glaubt Strohmeier.

Traditionell gilt Gold als inflationssicher, denn seine Produktion von derzeit weltweit knapp 3.000 Tonnen ist kurzfristig nicht vermehrbar: Die Erschließung neuer Goldminen kann bis zu zehn Jahren dauern, weil Schächte in bis zu 4.000 Metern Tiefe gebaut werden müssen.

Einzig die Zentralbanken könnten den Goldpreis merklich beeinflussen. In ihren Kellern liegen weltweit angeblich 31.000 Tonnen Gold. Verlässliche Angaben wurden jedoch bisher nicht veröffentlicht. Die Zentralbanken haben den Goldpreis jedoch bisher nur gering beeinflusst, weil sie jährlich nur eine relativ konstante Menge zwischen 500 und 600 Tonnen verkaufen.

„Der Aufwärtstrend beginnt erst noch, denn die große Masse der Kleinanleger ist bisher nicht in den Markt reingejagt worden“, sagt Goldexperte Siegel. Er fürchtet einen Flop wie bei der Spekulationsblase vom neuen Markt. „In ein paar Monaten werden sie in den Banken Werbeposter für den Krügerrand sehen.“ Und die Kleinanleger würden wahrscheinlich auch zugreifen. Der Herdentrieb werde die Spekulationsblase erst recht aufblähen. Doch als eine Anlageform unter mehreren hält Siegel Gold für ein sinnvolles Investment. „Spätestens aber, wenn der Goldpreis in den Nachrichten angesagt wird, regiert der Goldhype“, fürchtet Siegel. Er sagt eine so genannte Hausfrauen-Hausse voraus. TARIK AHMIA

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