Streit um Energiekompetenzen

Wer hat bei der Energiepolitik das Sagen? CSU behauptet: ihr Wirtschaftsminister Glos. SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel sieht das anders – und stellte gestern prompt ein eigenes Energiekonzept vor. Kernthese: Atomkraft hat keine lange Zukunft

Atombrennstoff Uran wird schon in einer Generation knapp und damit teuer

BERLIN taz ■ Neuer Streit über den Atomausstieg: Die CSU-Bundestagsfraktion war sich gestern auf ihrer Klausur in Wildbad Kreuth ganz sicher, dass nur sie zuständig ist für Energiepolitik. „Der deutsche Energieminister ist Michael Glos und niemand anderes“, betonte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer.

Diese Ansicht wird von SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel nicht geteilt: Das Umweltministerium sei gleichzeitig auch „ein Wirtschaftsministerium“. Also stellte Gabriel gestern in Berlin das Konzept für eine „grundsätzlich neue Energiepolitik“ vor. Der Atomkraft gab er dabei keine Zukunft. „In einer Generation schon“ sei Uran so knapp und teuer, dass es sich nicht mehr lohne, in Reaktoren zu investieren. Stattdessen setzt Gabriel auf die erneuerbaren Energien – und auf die „Energiequelle“ Energieeffizienz. Im Jahr 2020 sollen 20 bis 25 Prozent des Stroms aus alternativen Energiequellen stammen. Bisher sind es 11 Prozent.

Mit dem Dissens um die Zuständigkeiten geht die koalitionsinterne AKW-Debatte in eine neue Runde. Bisher waren die Laufzeiten der Reaktoren umstritten. Die CSU hatte gefordert, dass der rot-grüne Atomkonsens kassiert wird, der die durchschnittliche AKW-Laufzeit von 40 auf 32 Jahre reduziert hat. Doch dieser Atomkonsens ist nur mit Zustimmung des Umweltministers zu verändern. Und Gabriel machte gestern deutlich, dass er bei der rot-grünen Linie bleibt.

Diese Faktenlage hatte CDU-Kanzlerin Angela Merkel schon am Mittwoch akzeptiert: Sie forderte ihre Unionskollegen von der CSU auf, sich an den Koalitionsvertrag mit der SPD zu halten, der den Atomkonsens fortgeschrieben hat. Entsprechend friedlich gab sich gestern CSU-Chef Edmund Stoiber. Er hofft nun auf „eine Diskussion“ mit der SPD, „erzwingen können wir das letztlich nicht“. Außerdem wolle man die verlängerte Laufzeiten nur nutzen, um mehr Zeit zu haben, erneuerbare Energien zu entwickeln.

Ähnlich äußerte sich erneut Günther Oettinger, der als baden-württembergischer Ministerpräsident gerade um seine Wiederwahl im März kämpft. Selbst Umweltpolitiker in der Union stimmen zu: Das sei „eine Grundposition christdemokratischer Energiepolitik“, erklärte etwa Peter Paziorek, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium (taz von gestern). Stoiber gab in Wildbad Kreuth den weiteren Kurs vor: Man wolle „die SPD letztendlich überzeugen, über einige Dinge unabhängig vom Koalitionsvertrag zu reden“.

In den aktuellen Streit griffen gestern auch die Lobbyverbände der erneuerbaren Energien ein: „Bei sparsamem Verbrauch könnte Deutschland bis zum Jahr 2050 etwa 80 Prozent seines Strombedarfes aus regenerativer Energie decken“, sagte Hermann Ott vom renommierten Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. 50 Prozent der Heizkraft ließen sich mit erneuerbarer Energie erzeugen und immerhin noch 15 Prozent des Kraftstoffbedarfes. „Das kann zwar die sich formierenden Konflikte um den Rohstoffzugang nicht stoppen. Aber nur ein solcher Ausbau wird in der Lage sein, die Schwere der Konflikte wenigstens abzufedern.“ Aufstrebende Nationen wie China oder Indien würden den Industrieländern die Rohstoffe zunehmend streitig machen. Dem könne man nur „lokale Energie-Ressourcen entgegensetzen“, sagte der Wuppertal-Wissenschaftler.

Ganz ähnlich sieht das Claudia Kemfert, Leiterin der Energieabteilung des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Kernenergie ist eine Energieform der Vergangenheit. Was wir brauchen, ist eine regenerative Zukunft.“ Auch die heimische Kohle – wie jetzt von der Union ins Spiel gebracht – würde alte Abhängigkeiten nur zementieren. „Die politische Diskussion muss sich auf alternative Energien konzentrieren“. UH, KOCH, RENI