„Der Test überfordert die Ausländerbehörde“

Stuttgarts Integrationsbeauftragter Pavkovic hält die Fragen an einbürgerungswillige Muslime für wirklichkeitsfremd

taz: Herr Pavkovic, die Ausländerbehörden der Städte in Baden-Württemberg müssen mit einbürgerungswilligen Muslimen den 30-Punkte-Katalog abarbeiten. Wie wird so eine Fragestunde in Stuttgart ablaufen?

Gari Pavkovic: Das weiß ich noch nicht. Es stellt sich das Problem, wie die Antworten interpretiert werden. Da sind Mitarbeiter der Ausländerbehörde überfordert.

Welche Mitarbeiter stellen solche Fragen?

Das sind Verwaltungsangestellte: Leute, von denen bisher nicht bekannt ist, dass sie das Fingerspitzengefühl haben, solche Einstellungen zu erfassen. Im Prinzip bräuchte man für diese Sache psychologisch und interkulturell geschulte Leute.

Würden die Fragen dann Sinn machen?

Nein. Die meisten Fragen haben ja mit dem Einbürgerungsverfahren nichts zu tun. Da geht es um Weltanschauungen in einer pluralen Gesellschaft. Ob man eine Frau als Vorgesetzte mag oder Homosexuelle akzeptiert, dazu gibt es in der deutschen Bevölkerung keinen gemeinsamen Konsens.

Ein Ausländer im Einbürgerungsverfahren kommt vor dem Test zu Ihnen. Was raten Sie ihm?

Das ist schwierig. Einfache Leute sind mit diesen Fragen überfordert, sprachlich und von der Komplexität her. Viele werden kaum aussagekräftig antworten – egal was ihre Haltung ist.

Empfehlen Sie den Einbürgerungswilligen, sich gar nicht auf das neue Verfahren einzulassen?

Das nicht. Aber es sollte grundsätzlich überprüft werden, ob die Fragen auf der Grundlage der Verfassung stehen. Es sind diskriminierende Fragen dabei. Wenn ein Einbürgerungsantrag abgelehnt wird, müssten die Leute Rechtsmittel einlegen. Wahrscheinlich wird es darauf hinauslaufen, dass das Bundesverfassungsgericht den Fragenbogen irgendwann verwirft.

Wenn es bei dem Verfahren bleibt.

Ich bin dafür, den Fragebogen abzuschaffen oder stark zu verändern. Er schießt übers Ziel hinaus. Es geht nicht um Sachwissen, sondern um innere Einstellungen. Das kann man immer so und so interpretieren.

In Stuttgart werden pro Jahr 3.000 Nichtdeutsche eingebürgert. Welchen Eindruck vermittelt das neue Verfahren den neuen Deutschen?

Es unterstellt allen einbürgerungswilligen Muslimen religiösen Fundamentalismus. Dabei sind nur etwa 15 Prozent aller Muslime überhaupt aktiv praktizierende Muslime. Laut dem Verfassungsschutz von Baden-Württemberg gehören 0,7 Prozent zu den Extremisten. Aber der Fragebogen vermittelt den Eindruck, dass die meisten nicht auf der Grundlage der Verfassung stehen. Dabei leben sie in Deutschland, weil es hier mehr Rechtsstaat und mehr Demokratie gibt.

Ist die Stuttgarter Ausländerbehörde Ihrem Eindruck nach glücklich mit der zusätzlichen Aufgabe?

Die ist sicher nicht glücklich. Das ist eine Überforderung, aber auch eine undankbare Rolle. Die Mitarbeiter bekommen den Ärger ab, dass Muslime unter Generalverdacht gestellt werden.

INTERVIEW: GEORG LÖWISCH