In großen Fußstapfen

Wer in Bremerhaven Erfolg haben will, muss sich abgrenzen können. Muss sich Traditionen verweigern und Erwartungen enttäuschen. Wenn Marc Niemann, 40, im Jahr 2014 als Generalmusikdirektor an die Außenweser kommt, ist ihm zu wünschen, dass er das weiß.

Niemann, derzeit Kapellmeister in Cottbus, tritt in große Fußstapfen: Sein Vorgänger Stephan Tetzlaff wurde von der Opernwelt als „bester Dirigent“ ausgezeichnet. Die Latte liegt hoch, vor allem aber wird es Niemanns Job sein, das richtige Maß zu finden: Wie viel Opulenz erlauben die begrenzten Bremerhavener Produktionsbedingungen? Das Publikum will viel, Bremerhaven hat eine veritable Verdi-Tradition: Die erste dort überhaupt gegebene Oper war – 1872 – Verdis „Troubadour“. Jahrzehnte später war das kleine Stadttheater Schauplatz der deutschen Erstaufführung von Verdis Oper „Attila“, die als „Verdi-Wunder von Bremerhaven“ in die Musikgeschichte einging. Doch das ist Vergangenheit: 58 MusikerInnen stehen dem Dirigenten zur Verfügung – was viel klingt, für eine Stadt wie Bremerhaven auch viel ist, stellt für große Orchesterparts aber Oberkante Unterlippe dar. Das hört sich auch so an.

Nicht alle Traditionen lassen sich sinnvoll fortführen. Auch Niemanns Wagner-Ambitionen – er war unter anderem Stipendiat der Richard-Wagner-Stiftung – sind in Bremerhaven nicht wirklich gut aufgehoben. Womit sich Niemann hingegen sinnvoll profilieren könnte, ist ein entschiedener Akzent auf die Nachwuchsförderung. Dem Stadttheater Pforzheim, seiner vorletzten Wirkungsstätte, verhalf er zu bundesweitem Renommee in Sachen kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche. Nun muss er auch die Bremerhavener davon überzeugen, dass sich eine Traditionsbegründung in diese Richtung lohnt.  HB