„Der Transferbedarf ist gesättigt“

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke sieht die ostdeutschen Länder unter einem „sinnvollen Rechtfertigungszwang“

taz: Herr Papke, soll NRW Geld aus dem Solidaritätszuschlag bekommen?

Gerhard Papke: Richtig ist: Wir haben in NRW durchaus Gebiete, in denen wir noch besonders in die Infrastruktur investieren müssen. Es wäre gut, wenn bundesweite Fördermittel nicht nur nach dem Ost-West-Raster vergeben würden.

Also soll der Soli weg?

Den Solidarpakt II werden wir erfüllen. Aber irgendwann stellt sich sicher die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Solis. In den neuen Ländern nimmt die Einsicht zu, dass der immense Transferbedarf, den wir seit der Wiedervereinigung geleistet haben, jetzt mehr und mehr gesättigt ist. Die Infrastruktur ist in den neuen Ländern deutlich jüngeren Datums als hier.

Schüren Sie Neid?

Ich denke, dass die neuen Länder unter einem sinnvollen Rechtfertigungszwang stehen. In den letzten fünfzehn Jahren sind allein aus dem Solidaritätszuschlag 140 Milliarden Euro transferiert worden. Irgendwann fangen die Bürger in den alten Ländern an zu fragen, ob dieser Bedarf nicht sukzessive angepasst werden kann. Diese Debatte trifft die Finanzbeziehungen der Länder im Ganzen.

Ist der Länderfinanzausgleich noch haltbar?

Der gehört auf die Tagesordnung. Nicht nur die Ost-West-Transfers, sondern auch die Beziehungen zwischen den westdeutschen Ländern. NRW hat in den vergangenen zehn Jahren über elf Milliarden Euro in den Finanzausgleich gezahlt, obwohl es von der EU als Fördergebiet für Strukturprogramme anerkannt ist, und obwohl es immense Wachstumsrückstände hat. Ich kann nicht nachvollziehen, dass solche Miniländer wie Bremen und das Saarland komplett am Tropf des Bundes und der anderen Länder hängen. Unter Umständen muss dann auch eine Neugliederungsdebatte geführt werden.

Widerspricht es sich nicht, einerseits mehr Eigenverantwortung, andererseits mehr Geld für die schwachen Regionen in NRW zu fordern?

Es geht nicht um mehr Geld: Wenn wir uns anschauen, welche Mittel von der EU ins Ruhrgebiet geflossen sind und was damit erreicht worden ist, dann kann man mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein. Subventionen bewirken keinen Strukturwandel. Deshalb haben wir als FDP ja auch ein Sonderwirtschaftsgebiet für das Ruhrgebiet gefordert, um bürokratische Regelungen außer Kraft zu setzen und die Region für Investoren besonders attraktiv zu machen. Bisher hat dieser innovative Vorschlag leider noch keine Mehrheit gefunden. Strukturmittel können Restrukturierungsprozesse flankieren, aber vernünftige Wirtschaftspolitik nicht ersetzen. Ich finde es deshalb positiv, dass die EU ihre Fördermittel ab 2007 nicht mehr nur auf das Ruhrgebiet beschränkt.

Auch dann, wenn für NRW insgesamt weniger rauskommt?

Nach den bisherigen Zahlen sind die Einbußen nur sehr gering. Es gibt immer noch eine sehr üppige Förderkulisse. Und es ist gut, wenn sich möglichst viele Kommunen mit möglichst guten Projekten bewerben. Früher ist mit dem Geld im Ruhrgebiet viel Unsinn angestellt worden, nach dem Motto: Es ist ja Geld da, wo können wir noch einen Kreisverkehr und eine Stadthalle hinbauen. Von dieser Mentalität müssen wir weg.

Das Grundgesetz fordert überall gleiche Lebensverhältnisse. Ist das noch ein Ziel?

Wir glauben, dass der Begriff der gleichen Lebensverhältnisse in die falsche Richtung geführt hat. Wir wollen mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern. Hier unterscheiden wir uns von allen anderen Parteien. INTERVIEW: KLAUS JANSEN