Einstürzende Altbundesländer

Nordrhein-westfälische Politiker von CDU, FDP und SPD fordern mehr Mittel für strukturschwache Städte im Westen. Soli-Zuschlag soll nicht nur den ostdeutschen Kommunen zugute kommen

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Der nordrhein-westfälische FDP-Fraktionschef Gerhard Papke fordert Solidarität vom Osten. „Wir haben in NRW durchaus Gebiete, in denen wir noch besonders in die Infrastruktur investieren müssen“, sagte Papke im taz-Interview (siehe unten). Deshalb dürften Fördermittel des Bundes nicht mehr „nur nach dem Ost-West-Raster“ vergeben werden. Zuvor hatte sich mit dem sachsen-anhaltinischen Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) erstmals ein ostdeutscher Landesminister dafür ausgesprochen, Solidarpaktmittel auch im Westen einzusetzen.

Vor allem im Ruhrgebiet stößt der Vorschlag auf Zustimmung. „Wir brauchen einen regional unabhängigen, an den Bedürfnissen ausgerichteten Solidarfonds“, sagt der Hertener SPD-Bürgermeister Uli Paetzel. Zudem müsse Kommunen auch ohne genehmigten Haushalt erlaubt werden, einen Eigenanteil zu Förderprogrammen aufzuwenden. Marius Nieland, CDU-Kämmerer von Essen, fordert: „Der Soli sollte durch eine Infrastrukturabgabe ersetzt werden.“ Es sei absurd, wenn verschuldete West-Gemeinden schuldenfreie Ost-Gemeinden unterstützen, während ihre eigenen Straßen verrotten, so Nieland in Bild.

Die Polit-Debatte um Finanzhilfen auch für strukturschwache Westgebiete wie das Ruhrgebiet, Bremerhaven und die Pfalz ist nicht neu. Noch in seiner alten Funktion als Gelsenkirchener Oberbürgermeister hatte der heutige NRW-Städtebauminister Oliver Wittke (CDU) im Jahr 2004 gefordert: „Wir müssen ohne Schaum vor dem Mund eine Debatte über die Förderung beginnen.“ Bei neuen Förderprogrammen dürfe nicht mehr zwischen Ost und West unterschieden werden.

Stattdessen müssten die Gelder nach objektiven Kriterien wie Arbeitslosenquoten, Zahl der Sozialhilfeempfänger und Grad der Verschuldung verteilt werden, so Wittke. Ähnlich verfährt ab 2007 auch die EU: Die alte Trennung zwischen ostdeutschen Ziel-I-Gebieten und westdeutschen Ziel-II-Förderregionen fällt weg. Statt dessen wird EU-Geld nicht mehr nach Himmelsrichtung, sondern nach der Qualität einzelner Projekte vergeben. Für einen regional unabhängigen Kriterienkatalog plädiert auch der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Eiskirch. „In der Öffentlichkeit darf aber nicht der Eindruck entstehen, da kommt ein neuer Soli-Zuschlag West“, so der Wirtschaftspolitiker aus dem Ruhrgebiet. Die umverteilten Mittel müssten aus den bisherigen Soli-Einnahmen kommen.

Der Gelsenkirchener SPD-Bundestagsabgeordnete Joachim Poß plädiert dafür, dass es bei den zugesagten Mitteln für die Ostländer bleibt. „Für strukturschwächere Städte im nördlichen Ruhrgebiet gibt es ja bereits das volle Förderinstrumentarium wie im Osten“, so Poß gestern zur taz. Das Revier werde auch vom Konjunkturprogramm der großen Koalition profitieren.

Eine offizielle Stellungnahme der NRW-Landesregierung war gestern nicht zu bekommen. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hatte Mitte der Woche betont, NRW sei „ein starkes Land“. Die Forderung nach einem Soli-West würde dazu schlecht passen.