Thoben glaubt an Atomwunder

Die CDU-Energieministerin denkt über den Bau eines Hochtemperaturreaktors nach – dabei hatte Ministerpräsident Rüttgers den Bau neuer Atomkraftwerke noch am Donnerstag abgelehnt

VON ANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie, Christa Thoben, glaubt weiter an die Atomenergie. Langfristig könne der Bau eines neuen Hochtemperaturreaktors durchaus Sinn machen, so die Christdemokratin in einem Interview mit der Rheinischen Post, das heute erscheint.

Thoben widerspricht damit CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, der den Bau neuer Atomkraftwerke noch am Donnerstag abgelehnt hatte. „Ich sehe niemanden, der in Nordrhein-Westfalen ein Kernkraftwerk bauen will“, so der Regierungschef vor der Landespressekonferenz. „Die Frage stellt sich daher nicht“, kommentierte Rüttgers den auf der Bundesebene laufenden Streit um den Atomkonsens.

Rüttgers‘ Energieministerin Thoben warnt dagegen „vor vorschnellen Antworten wie auch vor Denkverboten“ – und bringt die ausgediente Hochtemperaturreaktor-Technik für die Massenherstellung von Brennstoffzellen ins Gespräch. Der in Brennstoffzellen verwandte Wasserstoff könnte unter Einsatz von Atomkraft hergestellt werden, schlägt Thoben vor: „Experten sagen, die Herstellung von Wasserstoff mit erneuerbaren Energieen dauert noch 25 Jahre. Über den Hochtemperaturreaktor ginge das wesentlich schneller.“

Rüttgers‘ Regierungszentrale wollte den Vorstoß der Ministerin gestern inhaltlich nicht kommentieren. „Es gilt immer das, was der Ministerpräsident sagt“, so eine Sprecherin der Staatskanzlei lediglich. Auch Thobens Sprecher Joachim Neuser gab sich gegenüber der taz vorsichtig: „Eventuell“ müsse doch über eine weitere Nutzung der Kernenergie auch über die im Atomkonsens festgelegten Restlaufzeiten hinaus nachgedacht werden. Noch stehe „aber gar nichts fest“. Auch die Standortfrage sei noch völlig ungeklärt – schließlich entscheide nicht Thobens Ministerium, sondern die private Energiewirtschaft über den Bau neuer Kraftwerke.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag kritisierte Thobens Vorstoß scharf. „Dieser Vorschlag belegt erneut Ministerin Thobens völlige Ahnungslosigkeit im Bereich Energie“, meint Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Grünen. Die Landesregierung sei ein „energiepolitischer Hühnerhaufen“, so Priggen mit Blick auf die unterschiedlichen Positionen von Regierungschef und Ministerin. Thoben müsse „erst einmal ihre konkreten Hausaufgaben“ machen: So sei noch immer nicht klar, wie Zuschüsse des Bundes von jährlich 1,4 Milliarden Euro, die zur Wärmedämmung von Gebäuden und damit zur Energieeinsparung bereit stünden, an Hausbesitzer weitergegeben werden könnten.

Ablehnend reagiert auch die SPD. Thobens Vorschlag sei unsinnig, sagt Fraktionssprecher Thomas Breustedt: „Nach dem in Berlin vereinbarten Atomkonsens kann so ein Hochtemperaturreaktor doch gar nicht gebaut werden.“