berliner szenen Retour-Shopping

Alles muss raus!

Sechs riesige, prall gefüllte Einkaufstüten liegen auf dem Boden. „Ich habe wieder aufgeräumt“, sagt die Besitzerin der Tüten zu der Frau hinter dem Tresen. Die schaut auf das Angebot, das ihr hier gemacht wird, und murmelt: „Doch nicht in den Mengen“, und sagt dann laut: „Mal sehen, wie weit wir damit kommen.“

Fix beginnt die Kundin ihre Shoppingbags zu leeren: Leinenkleider, Seidenpullis, Blusen, Hosen, Röcke – ausnahmslos feine Sachen kommen aus den Tüten. Nicht mehr gebrauchte, kaum bewohnte Stücke Stoff. Hat die Besitzerin in diesen Hüllen überhaupt gelebt? Oder ging sie ihrem Hobby nach und kämpft nun mit den lästigen Nebenwirkungen dieser Passion? An manchem Kleidungsstück baumelt noch das Preisschild. „Das hier ist nur ein Teil dessen, was weg kann“, kommentiert die Sammlerin ihr heute mitgeführtes Sortiment.

Hinter dem Tresen taxiert die Verkäuferin derweil Preise, hört aber auf, Beträge zu nennen, als deutlich wird: Geld spielt hier keine Rolle. So wandert nun Tüte um Tüte Kleidung über den Verkaufstresen zurück in die Regale. „Hauptsache, der Kram verschwindet“, sagt die Besitzerin des Krams. „Ich müsste das Zeug sonst wegschmeißen. Das wäre doch schade“, sagt sie. „Oder?“, fragt sie. Schafft sie Platz für Nachschub?

Etliche Kleidungsstücke will die Käuferin derzeit nicht aufnehmen wegen der verkehrten Saison. Sie bittet die Verkäuferin, mit den Sachen in ein paar Wochen noch einmal vorstellig zu werden, denn das alles sei sehr gut zu gebrauchen. Dieser Vorschlag allerdings gefällt der Tütenfrau so gar nicht. Sie sagt: „Ach nee, da muss ich das ganze Zeug ja wieder schleppen.“

GUNDA SCHWANTJE