Ariel Scharon noch einmal operiert

Nach neuen Blutungen im Gehirn wurde Israels Premierminister wieder fünf Stunden lang operiert. Die Arbeitspartei will den Wahlkampf zunächst auf Eis legen. Scharons Kadima-Partei liegt in aktuellen Umfragen auch ohne ihn vorn

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der Gesundheitszustand des israelischen Premierministers Ariel Scharon bleibt kritisch. Fast fünf Stunden lang kämpften die Ärzte gestern um das Leben des 77-Jährigen, der sich einer weiteren Operation unterziehen musste, nachdem die Ärzte eine erneute Hirnblutung festgestellt hatten. Zunächst war geplant, das bereits in der Nacht zum Donnerstag eingeleitete künstliche Koma bis Sonntag aufrechtzuerhalten.

„Nicht gut“ stehe es, so verlautete aus dem Umfeld von Schimon Peres, dem ehemaligen Chef der Arbeitspartei und jahrzehntelangen engen Freund Scharons. Peres war der einzige Politiker, der neben der Familie des Kranken und engsten Beratern ins Krankenhaus durfte.

Nach Berichten der auflagenstärksten Tageszeitung Jediot Ahronot ist das Gehirn Scharons bereits „stark in Mitleidenschaft“ gezogen worden. Handelte es sich nicht um den Regierungschef, so die Vermutung, dann wäre überhaupt nicht erst operiert worden. Gleichzeitig wird der Verdacht einer ärztlichen Nachlässigkeit lauter. Scharon hätte, so heißt es, nach seinem ersten Schlaganfall zwei Wochen zuvor nicht so schnell wieder zu seiner Arbeit zurückkehren dürfen. Zudem sei das blutverdünnende Medikament, das Scharon verabreicht wurde, Grund für die Blutungen im Hirn.

Unterdessen kündigte Vize-Premierminister Ehud Olmert, der vorläufig die Amtsgeschäfte als Regierungschef übernimmt, die Fortsetzung des „entschiedenen Kampfes gegen den Terror“ sowie „unaufhörliche Anstrengungen in Richtung eines Friedensprozesses“ an. Olmert, der als chancenreichster Kandidat für die Nachfolge Scharons als Vorsitzender der neuen Kadima gilt, beriet mit Schimon Peres über dessen Zukunft innerhalb der Partei. Offenbar fürchtet er eine mögliche Rückkehr von Peres in die Reihen der Arbeitspartei. In seiner Funktion als amtierender Premierminister könnte Olmert Peres zum Minister ernennen. Vorläufig hält sich Peres über seine politischen Pläne bedeckt. Im Anschluss an die Beratungen appellierte er allerdings, die „Politik Scharons fortzusetzen“ und Olmert an der Spitze der Kadima zu stützen.

Die jüngst von Scharon gegründete Liste genießt, gestern veröffentlichten Umfragen zufolge, auch ohne den populären Vorsitzenden große Sympathie im Volk. Die Ergebnisse sind, je nachdem wer den Vorsitz übernimmt, leicht unterschiedlich. So würden 42 Prozent der Bevölkerung ihre Stimme der Kadima geben, wenn Schimon Peres die Liste führte. Zwischen 39 und 40 Prozent wären es, zwei verschiedenen Umfragen zufolge, mit Olmert als Vorsitzendem und 36 bis 38 Prozent mit Justizministerin Zippi Livni an der Spitze.

Amir Peretz, Chef der Arbeitspartei, will vorläufig alle Wahlkampfmaßnahmen auf Eis legen. „Dies sind Tage des Schmerzes“, meinte Peretz, der dem amtierenden Regierungschef die Unterstützung seiner Partei zusagte.