Minus von 18 Prozent

Die Kinobranche blickt nach einem miesen Jahr mit trotzigem Optimismus auf 2006. Weil die Jüngeren abwandern, werden nun die älteren Zuschauer umworben

BERLIN taz ■ Am Ende konnten auch Zauberschüler und wundersame Kleiderschränke nichts mehr retten: Das Kinojahr 2005 endete im satten Minus – trotz der guten Zahlen für „Harry Potter – Der Kelch der Weisen“ und „Der König von Narnia“. Hoffnungsträger „King Kong“ enttäuschte sogar, und so sind die 121,3 Millionen vorläufig ermittelten Besucher ein heftiges Fünftel weniger als 2004 (152,4 Millionen). Die Einnahmen an der Kinokasse sanken um rund 18 Prozent von knapp 880 Millionen Euro 2004 auf nur noch 720 Millionen Euro. Und eine Prognose für 2006? „Das wagt keiner“, sagt Wilfried Berauer von der Spitzenorganisation der deutschen Filmwirtschaft (Spio), „alle warten auf bessere Filme und den hoffentlichen kommenden Aufschwung.“

Der Verband der Kinobetreiber ruft trotzdem trotzig eine „positive Trendwende“ aus. Dafür sollen nun Hollywood-Blockbuster sorgen wie die Verfilmung des Bestsellers „The Da Vinci Code“, der im Mai in den deutschen Kinos unter dem Titel „Sakrileg“ startet. Die Hoffnung ruht außerdem auf deutschen Produktionen wie der Verfilmung des Patrick-Süskind-Klassikers „Das Parfüm“, der Fortsetzung der „Sieben Zwerge“ und einem überdurchschnittlichen Angebot beim Kinderfilm.

Von diesem Optimismus scheint nicht einmal die Filmwirtschaft überzeugt zu sein: „Es geht ums Durchhalten“, heißt es bei der Spio. „Wenn 2006 nicht besser wird als 2005, wird das Folgen haben.“ Im Klartext: Dann machen weitere Kinos dicht.

Schon jetzt schließt die Cinestar-Gruppe (90 Standorte, 599 Leinwände) ausgerechnet am Traditionssitz der Cinestar-Gründerfamilie Kieft in Lübeck 6 Leinwände. In Berlin prozessiert die Cinemaxx AG (37 Kinocenter, 322 Leinwände), um aus ihrem Vertrag für das Colosseum-Multiplex in Prenzlauer Berg herauszukommen. Deutschland habe bis zu 600 Leinwände zu viel, heißt es in der Branche. Für dieses „Overscreening“ hat vor allem der Multiplex-Boom der vergangenen zehn Jahre gesorgt.

Auch der demografische Wandel scheint endlich bei den Kinobetreibern angekommen zu sein: Seit 1995 hat sich die Zahl der Zuschauer über 50 Jahre beinahe vervierfacht. Bislang setzte die Branche aber stoisch vorwiegend auf männliche Besucher unter 25 Jahren, die immer stärker Richtung DVD und Internet abwandern. „Unsere Kernzielgruppe fällt aus“, klagte Cinemaxx-Chef Hans-Joachim Flebbe in Interviews. Jetzt soll eine „Motivationsstudie“ die Wünsche auch der älteren Semester erkunden. Denn die Zahlen machten „deutlich, dass sich hier ein neuer Markt erschließt“, heißt es in einer Erklärung der Kinobetreiber und Filmverleiher.

Und Kino soll wieder mehr sein als bloßes Filmabspielen: Flebbe will ihm „die Seele zurückgeben“. Auch Cinestar setzt „stärker auf Anspruch und Service“. So wurden in Lübeck zwar die Kinos „Hoffnung“ und „Capitol“ geschlossen, dafür soll aber aus dem „2wei50“-Billigkino ein schmuckes Arthouse werden. Mit einem mehr als programmatischen Namen fürs Kinojahr 2006 – „Neue Hoffnung“. STEFFEN GRIMBERG