Intime Fragen an der Haustür

In diesen Tagen beginnt in Hamburg und Schleswig-Holstein die „kleine Volkszählung“. Private Fragen mit Auskunftspflicht und Bußgelddrohung. Mikrozensus gilt als Generalprobe für die in Berlin bereits beschlossene nächste Volksbefragung

von Marco Carini

Sie zählen und befragen wieder. 18 Jahre nach der letzten bundesweiten Volkszählung beginnt in diesen Tagen die Datenerhebung zur so genannten „kleinen Volkszählung“ 2006, dem Mikrozensus. Mitarbeiter des statistischen Landesamtes werden noch im Januar in Hamburg und Schleswig-Holstein an rund 2.000 Wohnungstüren klingeln.

Insgesamt sollen bis Jahresende 23.000 Haushalte, in denen rund 50.000 Menschen leben, 140 Fragen beantworten. Jeder hunderste Bürger, ausgewählt nach einem rechnerischen Zufallsverfahren, muss den Statistikern Rede und Antwort über seine persönlichen Lebensverhältnisse stehen. Problemloses Entrinnen gibt es nicht: Die Befragten sind zur Auskunft verpflichtet. Verweigern sie die Beantwortung der teilweise intimen Fragen, droht ein saftiges Bußgeld.

Die so erhobene Informationsflut soll den Behörden ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen und sozialen Lage in der Bundesrepublik vermitteln. Der Datenschutz der Befragten sei dabei „garantiert“, betont Fritz Wormeck, Leiter der Abteilung Mikrozensus im Statistikamt Nord. Die Kritiker der kleinen Volkszählung sehen das anders. Sie befürchten den „gläsernen Bürger“ und raten zum Boykott.

In diesem Jahr stehen Fragen zum Thema Arbeit und Beruf im Mittelpunkt der Erhebung. „Wir wollen wissen, ob jemand im Haushalt arbeitslos ist oder nach einer neuen Beschäftigung sucht“, verriet Wromeck Ende vergangener Woche der Bergedorfer Zeitung. Zudem fragen die Statistiker die ausgewählten „Teilnehmer“, ob sie in Vollzeit oder im Schichtdienst arbeiten und welche Ausbildung sie haben. Pikant dabei: Es gibt Fragen, etwa zum Thema „Schwarzarbeit“, für deren korrekte Beantwortung ein Befragter möglicherweise gezwungen wäre, sich selbst einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu beschuldigen – ein Zwang, dessen gesetzliche Grundlage mehr als fragwürdig ist.

Bundesweit müssen sich in diesem Jahr rund 370.000 Haushalte den Fragen stellen. Trotz der von vielen Mikrozensus-Gegnern beklagten fehlenden Freiwilligkeit der Beantwortung, die im Zweifelsfall falsche Antworten nach sich ziehe, existiert im Norden keine breite Bewegung gegen die Zwangs-Befragung.

Das könnte sich ändern, wenn im Rahmen einer neuen Volkszählung jeder Haushalt gezwungen werden soll, sein Arbeits- und Privatleben durchleuchten zu lassen. Fast unbekannt: Die Berliner Koalition verständigte sich im Koalitionsvertrag darauf, „an der auf EU-Ebene 2010/2011 anstehenden neuen Zensusrunde“ teilzunehmen. Der Mikrozensus dient dabei als Generalprobe, die ersten Vorbereitungen für die Total-Befragung sollen demnächst beginnen.

Dann könnte es auch zu einer Neuauflage der Volkszählungs-Boykottbewegung der 80er Jahre kommen, die die Zählung über Jahre verschleppte und dafür sorgte, dass die angedrohten Bußgelder für Auskunftsunwillige in den meisten Fällen nicht eingetrieben wurden.