Mit S. fängt man Mäuse

Nicht gegendarstellungsfähig: Jony Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Ein Hafturlaub, die Springer-Schmierer und ein schon zu Studienzeiten als besonders dämlich aufgefallener CDU-Anwalt

„Ein B-Prominenter (als Schauspieler bekannt aus zweitklassigen Fernsehserien, wir nennen ihn S.) speist mit 11 anderen B-, C- und D-Prominenten Silvester in einem Lokal. Er trinkt nichts, weil er eine Haftstrafe von etwas über zwei Jahren wegen Anlagebetruges im offenen Vollzug verbüßt, und macht auch sonst nichts Böses auf der Feier. Zu der unbedingten Freiheitsstrafe wurde er verurteilt, nachdem er sich von einem kriminellen Anwalt, dem später ebenfalls eine Haftstrafe übergeholfen werden musste, und der seine Zulassung verlor, schlecht verteidigen ließ. Für den Jahreswechsel hat er - wie jeder Dritte seiner Freigänger-Kollegen - Urlaub. Die Schmierer von Springer schießen ihn ab, zeigen ein Bild, auf dem er sich von einer, sagen wir, D-Prominenten (bekannt aus Container-TV) verabschiedet. Eines der Blätter behauptet dazu auch noch wahrheitswidrig, dass er mit der Dame tanzt. Dazu heucheln sie: „Sieht so die Härte des Gesetzes aus?“ und behaupten, das rechtstreue Publikum verstehe nicht, dass ein Straftäter so behandelt wird. Sie lügen, dass ihm eine Sonderbehandlung zuteil werde.

Wunschgemäß empören sich in den Ausgaben des nächsten Tages die angefragten Politiker: Ein mir schon zu Studienzeiten als besonders dämlich aufgefallener, mittlerweile zum Vorsitzenden des Rechtsausschusses des Berliner Abgeordnetenhaus avancierter CDU-Anwalt fordert Rache: „Es ist ein Riesen-Skandal, dass S. feiert und seine Opfer darben“. Ihm pflichtet ein Parteifreund, „Rechtsexperte“ genannt, aus dem Bundestag bei, der nichts geworden ist in der Regierung, und faselt von „Promi-Bonus“. Da darf ein Soze, der sich gerne als „Linker“ in Berlin feiern lässt, nicht zurückstehen. Ein FDP Mann stößt ins gleiche Horn, und selbst ein grüner Fraktionsvorsitzender, auch er “Rechtsexperte“, wird bedauernd mit den Worten zitiert, dass wahrscheinlich rechtlich nichts auszusetzen sei an dem Hafturlaub. Ungefragt gibt der dem Ärmsten aber mit auf den Weg: „Man sollte Herrn S. jetzt klar machen, welche Wirkung ein solches Auftreten hat.“ Wir halten fest: S. hat knastordnungsgemäß den Jahreswechsel trocken gefeiert, er hat nichts verbrochen.

Das von dem Grünen geforderte „Klarmachen“ lässt nicht lange auf sich warten: Der Mann will verlegt werden in den Knast Stralsund, um eine TV-Serie zu drehen (er will Geld für seine „Opfer“, das sind zum Beispiel Banken, verdienen, wie er behauptet). Ein Soze im Gewande des Justizministers von Meck-Pom lehnt dankend ab. Er will ihn dort nicht haben nach dem „Skandal“: Keine Extrawurst für S., heißt es. Die Fernsehanstalt, die mit ihm drehen wollte, weist vorsorglich darauf hin, dass daraus nichts wird, wenn er keinen drehortnahen Knast mit Freigang findet. Das alles findet öffentlich statt, jede Vollzugsfrage wird zeitnah im Boulevard verhandelt, obschon Haftvollzug vertraulich zu behandeln ist. Die ganze Woche über füllen die Schmierer damit ihre erbärmlichen Seiten.

Der Mann macht mit Genehmigung der Haftanstalt, was jeder Dritte seiner Freigänger-Kollegen macht. Der Boulevard schießt ihn bei dieser Privatangelegenheit ab, und täuscht den Lesern vor, er genieße eine Sonderbehandlung. Charakterschweinische Landtags- und Bundestagsabgeordneten, die es besser wissen, nutzen die Gelegenheit, um in der nachrichtenarmen Neujahrswoche ihren Namen in die Zeitung zu bringen, und - ohne dass er irgendetwas verbrochen hätte - zieht unser S. eine echte Promi-Arschkarte. Von wegen Promi-Bonus!

Jony Eisenberg

[Textstelle in Fettschrift enthält Änderungen gegenüber dem Text der gedruckten Ausgabe]