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: Steigt der „Mama“-Nudel-Index, herrscht Ebbe in thailändischen Portemonnaies

Alles, was mit Essen und leiblichen Genüssen zu tun hat, ist in Thailand von jeher ein Renner. Vor allem, wenn das Produkt im ganzen Land bekannt und im Prinzip für jeden erschwinglich ist. Die bei der Bevölkerung beliebten, preiswerten „Mama“-Nudeln, die es schon seit Urzeiten zu kaufen gibt, taugen nicht nur zum Futtern, sondern haben in den vergangenen Jahren auch noch eine zweite Karriere gemacht: Nämlich als Wirtschaftsbarometer. Den Index der thailändischen Börse SET (Stock Exchange Thailand) wird der Nudelmarktführer „Mama“ wohl kaum ersetzen, doch die Instantware gilt seit langem als Indikator dafür, ob und wie sehr die Thais sparen müssen.

Im Klartext: Wenn die Konjunktur boomt, zahlt sich das für die Hersteller von „Mama“ nicht unbedingt aus. Sitzt das Geld locker, investieren die Thais nämlich lieber in Luxusgüter, teures Essen und neueste Handymodelle. Wenn es aber mit der thailändischen Wirtschaft bergab geht und in den Portemonnaies der Bevölkerung fast nur noch gähnende Leere herrscht, schießt der Verkauf der „Mama“-Nudeln in die Höhe, zitierte die The Nation kürzlich Geschäftsleute und Wirtschaftsexperten. Für sie ist völlig klar: Muss der Gürtel enger geschnallt werden, setzt man eben auf preiswertes Essen.

Das gibt es nicht nur in den mehreren zehntausend Bangkoker Garküchen. Auch in den Supermärkten muss der Kunde nicht lange herumwühlen: In- und ausländische Einkaufsketten haben ganze Regalreihen bis unter die Decke für „Mama“ und ähnliche Billigprodukte reserviert. Die Instantnudeln gibt es in kleinen, bunten Päckchen in Geschmacksrichtungen wie Huhn, Schwein, Ente und Krabben – Knoblauchöl und Chilipulver anbei. Der Preis ist – zumindest in den vergangenen elf Jahren – gleich geblieben: Er beginnt bei fünf Thai-Baht pro Packung, umgerechnet zehn Cent.

Die Erkenntnisse rund um den „Mama-Nudel-Index“ kommen nicht von ungefähr: Als Thailands Wirtschaft begann, sich nach der schweren Asienkrise von 1997 zu erholen, blieb der Verkauf der Nudeln konstant. Doch in den vergangenen zwei Jahren bröckelte der ökonomische Aufschwung. Viele Thais dachten zunehmend ans Sparen, die Absatzzahlen der Instantnudeln schossen zunächst um fünf Prozent in die Höhe. Noch mehr dürften sich die „Mama“-Hersteller 2005 gefreut haben: Verglichen mit demselben Zeitraum 2004 hatte der Verkauf in den ersten sieben Monaten im Schnitt noch einmal um 15 Prozent angezogen.

Kein Wunder, dass sich die Billignudeln wachsender Beliebtheit erfreuen: Denn im letzten Jahr lag das wirtschaftliche Wachstum bei etwa 4,5 Prozent und damit deutlich unter den 6,1 Prozent im Jahr 2004. Für den deutlichen Einbruch machen Kenner unter anderem die hohen Ölpreise, die Nachwirkungen des Tsunami und die anhaltenden blutigen Unruhen in den muslimisch dominierten Südprovinzen nahe Malaysia verantwortlich.

Thailands Regierung, die eigentlich ein höheres konjunkturelles Wachstum anstrebt, hat die Daten vom vorigen Jahr verständlicherweise nicht so recht geschmeckt. Umso optimistischer gibt man sich jetzt für 2006. Realisten allerdings rechnen derzeit nicht damit, dass die Wirtschaft massiv anziehen wird. Sollten Letztere Recht behalten, würde das bedeuten, dass „Mama“ weiter Hochkonjunktur hat. NICOLA GLASS