DER CRASHKURS ZUR EZB
: In der Rezession

Die Europäsiche Zentralbank senkt den Leitzins auf das Rekordtief von 0,5 Prozent. Was bedeutet das für uns?

Immer wieder im Lauf der aktuellen Eurokrise ruhen alle Hoffnungen auf der Europäischen Zentralbank (EZB). So war es auch am Donnerstag, als der EZB-Rat beschloss, den Leitzins von 0,75 auf das Rekordtief von 0,5 Prozent zu senken.

Ein niedrigerer Leitzins bedeutet keineswegs, dass man nun von seiner Bank einen Kredit zu nur einem halben Prozent bekommt. Vielmehr können sich die Geschäftsbanken selbst zu diesem Satz kurzfristige Kredite bei der EZB beschaffen. Je niedriger der Leitzins, desto billiger können sie Kredite an die Unternehmen und Verbraucher weiterleiten. Und wenn diese an günstige Kredite kommen, werden Investitionen und Nachfrage angekurbelt – und damit die Konjunktur. So jedenfalls die Theorie.

Die Praxis ist schwieriger. Obwohl die EZB seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008 den Leitzins von zunächst 4,25 Prozent immer weiter herunterschraubte, steckt die Eurozone in der Rezession. Die EZB hat deshalb den Banken noch zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt, indem sie ihnen kriselnde Wertpapiere wie etwa griechische Staatsanleihen abkaufte. Ohne Erfolg.

Dies zeigt das grundsätzliche Problem einer Zentralbank in einer anhaltenden Krise: Unternehmen investieren eben nur dann, wenn sie die zusätzlichen Produkte auch absetzen können. Aber da die unter Niedriglöhnen und Arbeitslosigkeit leidenden Verbraucher ihr Geld zusammenhalten, mangelt es an Nachfrage.

Und da in ganz Europa gespart wird, sind auch die Chancen auf höhere Exporte eher gering. Ohnehin vergeben die Banken keine Kredite an kriselnde Unternehmen. Lieber horten sie das viele Geld von der Zentralbank.

Laut Lehrbuch müsste die derzeitige Geldschwemme eigentlich zu steigenden Preisen führen. Daher hatte sich die EZB auch lange gegen eine erneute Zinssenkung gewehrt – die Vermeidung von Inflation ist immerhin ihr oberstes Ziel. Aber weil das viele Geld den Bankensektor gar nicht verlässt, kommt es bislang auch nicht zur Inflation. Die Niedrigzinspolitik hat jedoch einen anderen Effekt: Während die Banken in Geld schwimmen, bekommen Europas Bürger für ihre Spareinlagen nach Abzug der Preissteigerungsrate praktisch gar nichts mehr. Das wirkt sich auch auf ihre Altersvorsorge aus. Letztlich sind sie also diejenigen, die die Zeche für die Geldpolitik der EZB bezahlen. NICOLA LIEBERT