Fehlende Ausstrahlung

Kaum ein Tag vergeht, ohne dass gewisse Minister und Ministerpräsidenten eine Rückbesinnung auf die Atomkraft fordern. Die Vorschläge aber ernten kaum Beifall und nur müden Protest. Warum?

von REINER METZGER

Holla, es ist ja fast wie einst in Wackersdorf (nein, damit ist nicht der heutige Gewerbepark bei Regensburg gemeint, sondern eine damals heiß umkämpfte, geplante Atomanlage): Kein Tag vergeht, ohne dass ein Ministerpräsident mehr Atomkraft fordert. Die Zukunft des Landes, die Unabhängigkeit von den Russen oder einfach nur der Dickschädel von CSU-Fürsten – irgendwas davon steht wahlweise immer auf dem Spiel. Dummerweise regt es keinen wirklich auf. Warum eigentlich nicht? Immerhin kommt ein Drittel unseres Stromes aus AKW.

Trotzdem bleibt die Debatte seltsam bemüht. Nun kann das an der derzeit nicht unbedingt kraftstrotzenden Umweltbewegung liegen, die mit ihren Kräften haushalten muss.

Die öffentliche Müdigkeit kann aber auch schlicht an den politischen Fakten liegen. Zuallererst sprechen ja eher die Buben, nicht das Familienoberhaupt: Ministerpräsidenten wie Oettinger (mit einem Wahlkampfproblem im Frühjahr), Wulff oder Koch sowie CSU-Wirtschaftsminister Glos (alle mit einem Autoritätsproblem) feuern zwar viele Statements ab. Doch die Kanzlerin hat schnell deutlich gemacht, dass der Atomausstiegsvertrag von 2002 bleibt, solange es den derzeitigen großen Koalitionsvertrag gibt. Die gesprächigen Herren haben halt alle Atomkraftwerke bei sich zu Hause stehen und wollen bei ihren Parteispendern aus dem Energiesektor im Gespräch bleiben. Deshalb wohl ihre Neigung zum Thema.

Ihr Pech, dass es bei den Atomkraftwerken erst in ein paar Jahren wieder spannend wird. Zwar geht nach dem derzeitigen Plan Mitte 2008 mit Biblis A das nächste AKW vom Netz. Doch der Meiler ist eher klein und müsste längst teuer nachgerüstet werden, da lohnt keine Laufzeitverlängerung. Erst im Jahr 2009 sind dann drei „echte“ Reaktoren fällig. Bis dahin wird die große Koalition nicht auseinander brechen wegen dieses Themas. Welcher Politiker riskiert schon heute etwas für ein Problem, das erst 2009 akut wird? Na also.

Dabei wird das Thema Laufzeitverlängerung mit Sicherheit zu seiner Zeit auf den Tisch kommen. Wenn so ein abgeschriebener 1.300-Megawatt-Block nur ein Jahr länger läuft, bringt er eine geschätzte halbe Milliarde Euro Reingewinn zusätzlich – je nach Strompreis auch weit mehr. Da werden also noch allerhand Hebel in Bewegung gesetzt werden.

Außerdem sind die Alternativen, nämlich die erneuerbaren Energien, ein rotes Tuch für die Energiekonzerne. Denn Sonne, Wind & Co. haben Eigenschaften, an denen sich für Konzerne eher wenig verdienen lässt: Sie sind verstreut, den Brennstoff gibt’s kostenlos, die Anlagen gehören sogar – Gipfel der Frechheit – nicht den Stromkonzernen, sondern Privatleuten. Da entsteht am Ende noch eine Kaste von energiepolitisch interessierten Stromwirten. Eine unangenehme Vorstellung für manche.

Deshalb blicken die Energiekonzerne wehmütig in die USA, wo Präsident Bush die Genehmigung der meisten dortigen AKW per Gesetz mal schnell um zehn Jahre verlängert hat. Die wissen halt, wie man die Wertschöpfung ankurbelt, die Amis! Hierzulande aber läuft den Atomstromern die Zeit weg. Selbst wenn sie von einer anders gefärbten Bundesregierung ein paar Jahre Laufzeit geschenkt bekommen, sind erneuerbare Energien bald auch betriebswirtschaftlich konkurrenzfähig, nicht nur unter Einbeziehung der Umwelt oder gar möglicher Atomunfälle. Daher werden die Energiekonzerne versuchen, sicherheitshalber auch die alternativen Energien irgendwie in ihre Hand zu bekommen.

Mal sehen, ob es die Öffentlichkeit dann interessiert.