Dubiose Guerillatruppe agiert im Nordosten Paraguays

KLEINKRIEG Entführungen sind das Markenzeichen der „Volksarmee Paraguays“. Ihr Charakter ist unklar

Über die „Volksarmee“ ist wenig bekannt. Die Mitgliederzahl wird auf 20 bis 30 geschätzt

BUENOS AIRES taz | Paraguay hat die militärischen Sicherheitsmaßnahmen für Präsident Fernando Lugo und seinen Vize Federico Franco verschärft. Über Radio wurde am Mittwoch vergangener Woche mitgeteilt, der Präsident besitze zwar zwei kugelsichere Westen, aber leider benutze er sie nicht.

Die Furcht um den Präsidenten verursacht eine Gruppe, die sich Ejército del Pueblo Paraguayo (EPP) – Paraguayische Volksarmee – nennt. Die Gruppe agiert vornehmlich im Nordosten Paraguays und machte bisher mit Entführungen und Anschlägen von sich reden. Rechte Politiker und deren Presse sprechen von einer linken Guerillaorganisation, die sogar Verbindungen zur kolumbianischen Farc unterhalten soll. Dagegen vermuten Menschenrechts- und Bauernorganisationen, dass die paramilitärischen Aktionen ihre Proteste und sozialen Forderungen in Verruf bringen sollen.

Am 17. Januar hatte der EPP den Großgrundbesitzer und Viehzüchter Fidel Zavala nach 94 Tagen Geiselhaft gegen eine Zahlung von 550.000 Dollar Lösegeld freigelassen. Seither wird die Angst vor neuen Entführungen in den Medien und bei der rechten Opposition geschürt. Politiker und Funktionäre sollen die nächsten Opfer des EPP sein.

Über die Ejército del Pueblo Paraguayo ist wenig bekannt. Offizielle Verlautbarungen gibt es nicht. Die Mitgliederzahl wird auf 20 bis 30 Personen geschätzt. Im März 2008 hat sich die Gruppe den Namen Paraguayische Volksarmee gegeben, sie soll jedoch schon viel länger aktiv sein.

Auf dem aktuellen Fahndungsplakat macht die Regierung die Volksarmee von 1997 bis heute für 13 illegale Aktionen verantwortlich, darunter die Entführung und Ermordung von Cecilia Cubas, der Tochter von Expräsident Raúl Cubas 2005. Das Plakat zeigt 15 Männer und zwei Frauen mit Namen und Foto, auf die rund 100.000 Dollar Belohnung ausgesetzt sind.

Alle Verbrechen wurden in den Provinzen San Pedro und Concepción begangen. Einzige Ausnahme ist ein Sprengstoffanschlag im April 2009 auf den Justizpalast in der Hauptstadt Asunción. Die Forderungen nach hartem Durchgreifen und dem Einsatz von Militär und Polizei steht in einem bedenklichen Missverhältnis zu der geschätzten Schlagkraft der Paraguayischen Volksarmee. Die Kleinbauernorganisationen in den betroffenen Provinzen wehren sich dagegen, mit dem EPP in einen Topf geworfen zu werden. Luis Aguayo von der Kleinbauernorganisation MCNOC hat bereits die ersten Polizeiübergriffe auf Mitglieder seiner Organisationen angeprangert.

Für den Menschenrechtsverteidiger Martín Almeda besteht der EPP aus ehemaligen Militärs und Polizisten. Ihr Ziel sei ein weicher Staatsstreich. „In Paraguay träumen die wirtschaftliche Elite und der Justizapparat noch immer von der Zeit der letzten Diktatur“, sagt Almeda.

Ob der Präsident dies ebenso sieht, ist nicht bekannt. Auf die Freilassung von Zavala reagierte er Mitte letzter Woche mit der Entsendung von 500 Soldaten in den Nordosten. Doch die Polizei war noch schneller. Am Tag zuvor nahm sie nach Razzien in verschiedenen Orten der Provinz Concepción drei Mitglieder von Kleinbauernorganisationen unter dem Verdacht der EPP-Unterstützung fest.

José Pakova Ledesma, Gouverneur der Provinz San Pedro, sieht die Polizei auf der falschen Fährte. Die Entführung von Fidel Zavala erfolgte mit Präzision und neuesten Waffen. „Dazu haben die armen Campesinos hier weder die Voraussetzung noch die Möglichkeiten“, so Ledesma. Er forderte den Präsidenten auf, deren sozialen Kampf nicht zu kriminalisieren. JÜRGEN VOGT