OSTJERUSALEM: WO DAS WAHLRECHT NICHT SELBSTVERSTÄNDLICH IST
: Palästinenser per Verwaltungsakt

Israel lernt aus seinen Fehlern nur mit Mühe. Nach fast 40 Jahren Besatzung im Westjordanland und im Gaza-Streifen, nach tausenden Toten auf beiden Seiten schien endlich klar zu sein, was der mit seiner Augenklappe weltbekannt gewordene Verteidigungsminister Mosche Dayan schon unmittelbar nach dem Sechstagekrieg von 1967 erkannte, als der Haudegen zu einer schnellen Lösung für das Palästinenserproblem aufrief: Man kann einem Volk langfristig seine Bürgerrechte nicht versagen – sonst gibt es einen Aufstand.

Zu den Bürgerrechten gehören auch die Wahlen. Für Jerusalem, die von beiden Seiten in Anspruch genommene politische Metropole, gibt es zwei Lösungen: Entweder ihre Viertelmillion Palästinenser werden zu israelischen Staatsbürgern und bestimmen fortan die Zusammensetzung des israelischen Parlaments mit. Oder sie gelten als palästinensische Staatsangehörige – und dann wählen sie die Abgeordneten für ihr eigenes Parlament.

Doch die Sorge der israelischen Regierung vor der schnell anwachsenden arabischen Bevölkerung ist auch ohne die Ostjerusalemer groß genug. Deshalb musste sie die Palästinenser „palästinensisch“ wählen lassen. Auch wenn damit das politische Signal gegeben wird, der israelische Anspruch ende dort, wo die Menschen anfangen, Arabisch zu reden. Denn es ist eine Illusion, zu glauben, die deklarierte Hauptstadt des Judenstaates sei vereint. Vom israelischen Justizminister und einigen jüdischen Extremisten abgesehen, betritt heute kaum noch ein Israeli den Osten der Stadt, die Altstadt ausgenommen. Umgekehrt brauchen Palästinenser einen guten Grund, sich dem Westen zu nähern, wo sie stets mit unangenehmen Kontrollen rechnen müssen.

Expremierminister Ehud Barak sprach vor gut fünf Jahren zum ersten Mal aus, was andere kaum zu denken wagten – und doch wäre seine Initiative, die Stadt zu teilen, vermutlich von der Mehrheit der Israelis unterstützt worden. Vorausgesetzt, dass auch die Palästinenser dem zustimmen. Vorausgesetzt, dass die Altstadt unter israelischer Sicherheitskontrolle bleibt. SUSANNE KNAUL