Kleine Biere
: Trügerisch

Ich dürfte aus dem Zapfhahn trinken

Wie immer begann es harmlos. Es war ein furchtbarer Montagabend, von denen es mehr gibt als furchtbare Dienstagabende. Wir saßen in unserer Stammkneipe und redeten. Die Waage von Wissen und Unwissen neigte sich mit zunehmender Uhrzeit gefährlich in Richtung Unwissen und schließlich, wir saßen schon mit vor Blödheit offen stehenden Mündern da, brach die Bierbank, auf der wir saßen, unter lautem Krachen zusammen. Murrend zogen wir uns an den Tresen zurück, der uns sicherer erschien. Dem Freund, der schon seit längerem einen Vortrag hielt, konnten wir deshalb noch lange nicht folgen. Weil ich dumm genug aus der Wäsche guckte, bekam ich Bier nachgeschenkt.

Schnitt. Kleine Biere sind trügerisch. Im Hinterzimmer spiele ich mit dem Wirt ein Spiel, das ich nicht verstehe. Schon lange bin ich der letzte Gast. Die Spielfläche, über die man Holzsteine in nummerierte Öffnungen befördern soll, ist biertischgroß. Als ich zu gut werde, poliert mein Spielpartner ausgiebig den Holztisch. Dass ich noch besser werde, ist damit nicht zu erklären. Wir geben auf und versuchen es mit einer Unterhaltung. Es geht um Minenfelder, Geister und Dinge, die man unter keinen Umständen wiederholen sollte. Meinem Gesprächspartner schaut der Bauch unter dem hoch gerutschten T-Shirt hervor. Diesmal erkenne ich das Zeichen und steige auf Wasser um. Schade, denn mittlerweile bediene ich mich selbst an der Bar und dürfte sicher direkt aus dem Zapfhahn trinken.

Auf dem Weg dorthin biege ich zur Toilette ab, wo ich Wasser hole. Ein letzter Kontrollblick – mein Bauch steckt unterm T-Shirt – und ich trete mit zusammengekniffenen Augen in den Sonnenschein. Erfahrungsgemäß ist der ja am schönsten, wenn man ihn so gar nicht gebrauchen kann. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen. Dienstagmorgen etwa. SONJA VOGEL