Runter vom Podest

Eine Ausstellung im Rathaus macht aus Helden wieder Menschen. Sie zeigt die „Weiße Rose“ im Licht der Freundschaften, die die Gruppe zusammenhielten. Die Botschaft: Freiheit kommt von innen

Das Bild ist gestellt, das Strahlen ist echt: Zwei hübsche junge Männer in Pyjamahosen albern herum, einer droht neckisch mit einem angekippten Wasserkrug. Das Bild ist nicht so lustig geworden, wie es sollte. Liebevoll eher, fast ein bisschen sinnlich. „Störe ich hier?“, will sich der diskrete Betrachter schon fragen.

„Nein, er stört nicht. Die Nachfahren der Männer und Frauen aus der Gruppe „Weiße Rose“ haben für die Ausstellung ihre Familienalben geöffnet. Bisher nie gezeigte Fotos und Zeichnungen sind ans Licht gekommen. Die Fröhlichkeit einer verstrubbelten Sophie Scholl mit hippem Kurzhaarschnitt, die Bilder aus einem Studentenleben, das in den Dienst in der Wehrmacht eingebettet werden musste, und die kleine Badeszene atmen Normalität. „Wir wollen den Freundeskreis vom Podest der Heldenverehrung herunterholen“, sagt Sonja Mühlenbruch, eine der Organisatorinnen der Ausstellung.

Statt verklärter Vorbilder oder krampfhaft inszenierter Exemplare des „guten Deutschen“ soll die Ausstellung Menschen aus Fleisch und Blut zeigen: Alexander Schmorell, den Medizinstudenten, dessen eigentliche Leidenschaft die Bildhauerei war. Seinen besten Freund Christoph Probst, psychisch labil und religiös suchend, der kurz vor der Hinrichtung Vater seines dritten Kindes geworden war. Hans Scholl, den Typ des Alpha-Tieres, der sich vom Hitlerjugend-Anführer zum Motor der Widerstandsgruppe wandelte. Bilder einer Freundschaft“ heißt die Ausstellung im Untertitel.

„Die Weiße Rose war keine Organisation, kein Verein, sondern wurde nur durch enge Freundschaften zusammengehalten“, erläutert Sonja Mühlenbruch. Ein Gegenentwurf zur entindividualisierten „Kameradschaft“, die der faschistische Staat hochhielt. Schwärmerisches Sinnieren über Literatur und Musik, über philosophische und religiöse Fragen prägte diese Freundschaften. Minutiös beobachteten die jungen Leute ihre eigenen Empfindungen und tauschten sich darüber aus. „Er war ein großer Ringender“, resümierte eine Freundin über Christoph Probst. Ein Pathos, das nicht untypisch ist für den Ton in der Gruppe. Doch war diese hitzige Suche nach geistiger Freiheit und Entwicklung das Moment, das die Freunde dem Nationalsozialismus widerstehen ließ. „Es ist bezeichnend, dass sich die Geschwister Scholl von den Nazi-Organisationen abwandten, als man ihnen dort verbot, Stefan Zweig und Heinrich Heine zu lesen“, findet Sonja Mühlenbruch.

Die Ausstellung wurde von einer überkonfessionellen christlichen Initiative in Freiburg konzipiert. Eine Gruppe von BremerInnen hat es übernommen, sie an die Weser zu holen. Sonja Mühlenbruch und Daniel Hildebrand haben sich so tief in die Briefe der Weißen Rose hineingefressen, das man beim Zuhören manchmal glaubt, sie würden über alte Freunde sprechen. „Der Christoph“, rutscht es Daniel Hildebrand beim Erzählen heraus. Die Begegnung mit den Menschen hinter dem Mythos „Weiße Rose“, meint er, kann am ehesten die Frage beantworten: „Wie schafft man es, von einer allgegenwärtigen Ideologie nicht aufgesaugt zu werden?“

Anneliese Knoop-Graf, Freundin des Kreises und Schwester des hingerichteten Willi Graf, wird bei der Ausstellungseröffnung sprechen. Ein weiterer Programmpunkt ist die Buchvorstellung von Thomas Hartnagel, der den Briefwechsel seines Vaters mit dessen Verlobter Sophie Scholl herausgegeben hat. Schauspieler des Schnürschuh-Theaters werden aus den Briefen lesen. Annedore Beelte

13. - 20. 1., Untere Rathaushalle, Eröffnung Freitag 20 Uhr, Buchvorstellung Dienstag, 17.1., 15.30 Uhr. Weitere Informationen: ☎0421/34 21 65 oder 0175/73 66 569