Seltsame Blüten

Mit Pornografie im Internet werben Leona Johansson und Tommy Hol Ellingsen Spenden für den Regenwald ein. Noch werden sie das Geld nicht los – höchste Zeit also, nach Brasilien zu fahren

VON JAN KEDVES

Wie zwei Neureiche, die ein hübsches Sümmchen von 100.000 Euro auf der hohen Kante liegen haben, sehen diese beiden jungen Menschen eigentlich nicht aus. Haben Leona Johansson und Tommy Hol Ellingsen aber. Und das weder geerbt noch im Casino erpokert, sondern ganz einfach: erpimpert.

Tommy Hol Ellingsen und Leona Johansson sind zwei Idealisten, die gerne Umweltschützer wären und es dafür erstaunlich weit treiben: Sie fallen vor einer Videokamera nackt übereinander her. Die so entstehenden Videos kann man sich auf ihrer Website fuckforforest.com gegen Bezahlung anschauen und die Absicht ist, das Geld zu spenden. Wofür, das erzählen die beiden, wenn sie hin und wieder ihr Liebesspiel unterbrechen und mit ernster Mine über die Abholzung des Regenwalds in Südamerika informieren. Darum soll es bei Fuck For Forest nämlich in erster Linie gehen: um die Verquickung einer gehörigen Portion Exhibitionismus mit politischem Aktivismus. Nicht weiter erstaunlich, dass Tommy und Leona ihre Vorbilder in Yoko Ono und John Lennon gefunden haben. Allerdings gingen Ono und Lennon 1969 bei ihrem zweiwöchigen „Bed-in for peace“ nicht ganz so weit wie der Norweger und die Schwedin heute.

Vor einem halben Jahr – da war das engagierte Pärchen gerade frisch aus Norwegen, wo Pornografie verboten ist, ins Berliner Exil geflüchtet – wurden sie in der deutschen Presse als Kuriosität herumgereicht. Seitdem hat sich eigentlich nicht viel verändert: Der Ansturm von freiwilligen Helfern, den sie sich erhofft hatten, ist ausgeblieben. Und das Geld, das sie bis jetzt gesammelt haben, sind sie immer noch nicht losgeworden.

Es scheint nämlich gar nicht so einfach, mit Pornografie erwirtschaftetes Geld wohltätig einzusetzen. „Wir müssen jetzt wohl ein eigenes Hilfsprojekt gründen“, zuckt Tommy mit den Schultern. Der WWF jedenfalls lehnte ab, das Geld anzunehmen, und auch die norwegische Regenwaldstiftung machte im Sommer 2004, nachdem Tommy und Leona auf der Bühne eines Rockfestivals festgenommen worden waren, wo sie mit vollem Körpereinsatz für ihr Projekt geworben hatten, einen Rückzieher.

Was nun in der einigermaßen paradoxen Situation mündet, dass die beiden Naturliebhaber im vergangenen September in London, bei den so genannten Charity Erotic Awards, eine Trophäe für die „Website des Jahres“ überreicht bekamen, ohne bislang ein einziges Mal wohltätig geworden zu sein – außer an sich selbst. Ihre gesammelten Spenden langweilen sich noch immer auf einem Konto.

15 Euro kostet eine vierwöchige Mitgliedschaft bei fuckforforest.com, höchstens 3 Euro davon sollen für Verwaltungskosten draufgehen. Der Rest ist für den Regenwald bestimmt. Insgesamt hätten sie derzeit um die tausend Abonnenten, sagt Tommy. Dabei könnten sie unterscheiden zwischen denjenigen, die das Projekt längerfristig unterstützen, ohne dabei jedes Video anzuklicken, und den anderen, die sich kurzfristig an der hippiesken Wald-und-Wiesen-Ästhetik der Videoclips aufgeilen.

Dass es den Abonnenten irgendwann zu langweilig werden könnte, immer nur Tommy und Leona zuzuschauen, dessen ist sich das zeigefreudige Pärchen durchaus bewusst. Aber von dem Plan, Pornoproduktionsfirmen nach überschüssigem Material zu fragen, seien sie mittlerweile abgekommen, erzählt Leona. Das Pornogeschäft erscheine ihnen doch etwas zu dubios und kommerziell. Und Leute dafür bezahlen, für sie aktiv zu werden, wollen sie nicht. Zwar würde es in Berlin natürlich genug Arbeitslose geben, die sich gerne ein paar Euros dazuverdienen würden, aber bei Fuck For Forest gehe es ihnen eben darum, eine wirklich neue – Tommy nennt sie tatsächlich „anarchistische“ – Form des Zusammenlebens zu proben. Deswegen würden sie lieber nach Menschen suchen, die – anstatt Geld verdienen zu wollen – ihren Idealismus teilen. Eigentlich sollte Fuck For Forest längst ein Kollektiv sein.

Das kann, denken sie, doch nur an dem Grad der Verklemmung in Deutschland liegen. „Es ist gar nicht so, dass die Leute hier viel freizügiger sind als in Norwegen“, schlussfolgert Tommy. „Es sind einfach nur viel mehr!“ Was die beiden immer wieder verwundert: „Schließlich sind wir doch alle auch nur wegen einem Fick auf der Welt!“, sagt Tommy und grinst.

Dass sie ihre Abonnenten in den Entscheidungsprozess, welche Projekte sie letztendlich mit den Einnahmen unterstützen sollen, per Online-Voting mit einbeziehen könnten, darüber haben sie schon nachgedacht, sagt Tommy. Vorerst allerdings steht an, zwei bereits bestehende Projekte genauer unter die Lupe zu nehmen – eines in Costa Rica und eines in Brasilien, das sich um die Sicherung von juristischem Beistand für die dort lebenden Indianerstämme bemüht. Davon überzeugen, dass vor Ort auch alles mit rechten Dingen zugeht, können sich die beiden natürlich nur persönlich. Und so soll’s in einem Monat endlich losgehen: nach Brasilien, in den Regenwald, über den sie jetzt schon zwei Jahre lang so viel geredet haben. „Als wir anfingen, hatten wir ja keine Ahnung, wie kompliziert das alles werden würde“, resümiert Tommy. „Manchmal waren wir schon richtig frustriert, wie lange immer alles dauert.“

Ihre Videokamera werden sie nach Brasilien natürlich mitnehmen. Nicht nur, um im Regenwald das zu machen, was sie ohnehin ständig tun – sich beim Sex filmen –, sondern um vor Ort zu dokumentieren, wie ihre 100.000 Euro wirksam werden könnten. Und so endlich zu zeigen, dass man die Welt wirklich verbessern kann, wenn man nur will.