Ein Raum für die Magie

DISKUSSION Claus Peymann und Marina Weisband tauschen sich über die Verbindungen zwischen Theater und Netz aus – und preisen das Theater

„Muss alles digitaler und vernetzter werden?“

MARINA WEISBAND, THEATERFAN

Der alte Feuerkopf Claus Peymann und die junge Piratin Marina Weisband diskutieren über die Verbindung zwischen Theater und Internet – das könnte Zündstoff bergen. Das Online-Theaterfeuilleton nachtkritik.de hat den Intendanten des Berliner Ensembles und die ehemalige Geschäftsführerin der Piraten-Partei zur Eröffnung der Konferenz „Theater und Netz“ gebeten, die es mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung ausrichtet. „Wie verändert sich das Theater durch die digitale Revolution und was kann die Netzgemeinde ihrerseits vom Theater mitnehmen?“, steht als Grundfrage über der anderthalbtägigen Tagung.

Beim gut besuchten Eröffnungsabend am Mittwoch in der Böll-Stiftung bleibt die Stimmung aber ausgesprochen friedlich. Ein besonnener, charmanter Theatermann sitzt da auf dem Podium, der von einer „Revolution im Innern“ zu berichten weiß, nachdem er die Internetmesse Re:publica besucht hat – nicht ganz freiwillig: die Veranstalter von „Theater und Netz“ hatten ihn dazu gebeten. In Diktaturen sei das Internet mindestens so wichtig wie die Subversivität des Theaters, so Peymanns Einsicht. Neben ihm eine Netzpolitikerin aus gutbürgerlichem Haus, die von theatralen Erweckungserlebnissen schwärmt: „Theater hat für mich immer eine große Rolle gespielt.“ Einvernehmlich preisen beide dessen Besonderheiten: das Live-Moment, das emotionale, körperliche Erleben, den „Rückzugsraum“, den Weisband anspricht.

Respektvoll werfen sie sich die Bälle zu – Peymann nicht ohne altväterlichen Gestus, wenn er Weisbands „kluge Worte“ lobt. Stets glänzender Unterhalter, erklärt er freimütig, von „all dem überhaupt keine Ahnung zu haben“ und die im Netz geführten Debatten um sein Haus etwa nur zu verfolgen, wenn man sie ihm ausgedruckt auf den Schreibtisch legt: „Was da wieder los war!“ Sich ernsthaft mit den Möglichkeiten des Internets auseinanderzusetzen, dazu wird er wohl, trotz Re:publika, weiterhin nicht kommen. Weisband argumentiert klar und selbstbewusst, nonchalant räumt sie ein, diese Woche selbst das erste Mal bei der Messe gewesen zu sein.

Der Moderator Albert Eckert will das Gespräch konkretisieren: Stehen Theater und Internet so komplementär zueinander, wie Weisband es formuliert? Könnte Peymann in seiner Theaterarbeit etwas mit dem Netz anfangen? Gibt es andere Überschneidungen als den Online-Kartenverkauf? Und, eine Frage aus dem Publikum aufgreifend: bildet sich Gesellschaft heute noch im Theater ab? Ganz klar: So detailliert ist das mit dem Schlachtross Peymann nicht zu verhandeln. Sein Haus sei jedenfalls voll – und das Interesse der jungen Menschen erkenne er an den vielen Fahrrädern vor der Tür.

Das Interesse der Jungen: erkennt Peymann an den Rädern vor der Tür

Marina Weisband widerspricht, wenn Peymann vom Netz als „Einsamkeitsmedium“ spricht, das Menschen isoliert auf Bildschirme starren lasse. Wir lernen von ihr: @-->-- meint eine Rose – und kann schon mal, vom Verlobten geschickt, auf digitalem Weg einen miesen Tag retten. Während die Netzkommunikation auf dem Podium unterschiedlich beurteilt wird, bleiben das Theater und seine gesellschaftliche Bedeutung unangetastet. Was die Beziehung zwischen altem und jungem Medium angeht, scheint für Weisband alles überraschend klar: „Muss das Internet etwas fürs Theater tun? Muss alles digitaler und vernetzter werden?“, fragt sie am Ende rhetorisch. „Reicht es nicht, dass die Welt da draußen vernetzt ist, wir aber Räume haben, um vier Stunden eine Magie auf uns wirken zu lassen und danach noch genauso vernetzt zu sein wie vorher?“ Eine schöne Liebeserklärung ans Theater – da kann Claus Peymann nur noch zustimmen. Das Publikum, auch Twitter zeigt es, fühlt sich bestens unterhalten. BARBARA BEHRENDT