„Ich bin an Beschimpfungen gewöhnt“

MEINUNGSFREIHEIT Yoani Sánchez kritisiert Kubas Regierung. Deshalb demonstrieren Castro-Fans gegen sie

Sie ist eine der bekanntesten Stimmen Kubas, vielleicht gar die bekannteste. Und manche sind der Meinung, sie soll endlich schweigen. „¡Callate!“, haben sie auf ein Schild geschrieben. Halt die Klappe! „Cuba sí, Yoani no!“, rufen die zwei Dutzend Demonstranten. Sie haben Fahnen mitgebracht von der DKP und der Linkspartei. Sie glauben, Yoani Sánchez werde von der CIA gesteuert.

Vor dem Instituto Cervantes haben sie sich versammelt, hier wird Sánchez am Mittwochabend sprechen, bei einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen und der taz. Im Saal sitzen 200 Leute, um sie zu sehen: Yoani Sánchez, 37 Jahre, Kubanerin, Bloggerin, fast 500.000 Follower auf Twitter, Kämpferin gegen die Zensur, Mutter. Keine Politikerin, darauf legt sie Wert.

Auf das meiste, was ihr vorgeworfen wird, gibt sie ganz einfache Antworten. Etwa auf die Frage, wer eigentlich ihre Weltreise bezahlt. In den vergangenen Jahren hätten sich einfach viele Einladungen angesammelt, sagt sie. Aber sie durfte nicht ausreisen. 20 mal habe sie erfolglos einen Antrag gestellt, bevor die Reisebestimmungen Anfang des Jahres gelockert wurden.

Dann der Vorwurf, sie habe sich mit extrem rechten Politikern getroffen. „Ich bin eine Frau des Dialogs“, sagt Sánchez. Sie habe mit Politikern aus dem gesamten Spektrum gesprochen. Die Fragen ihrer Gegner seien doch nur eine reine Ablenkungsstrategie, damit sie Zeit verschwendet, in der sie nicht über das Kuba von heute berichten kann. Darüber, dass eine Revolution doch keine 54 Jahre dauert, über die „Diktatur eines Familienclans“, über die Indoktrinierung durch die Partei, die schon auf die Kleinsten abzielt. Sie erzählt vom Alltag in Kuba und landet immer wieder bei einer Sache: der Freiheit, die fehlt.

Sánchez antwortet ruhig und freundlich auf Fragen, auch auf solche, die eigentlich keine sind, sondern Unterstellungen. „Ich bin daran gewöhnt, dass sie mich beschimpfen“, sagt sie.

Yoani Sánchez will einfach nicht verstehen, warum sie ihr Land nicht kritisieren sollte, nur weil es woanders vielleicht noch schlimmer ist. Dass Kuba reformiert werden kann, glaubt sie nicht. Trotzdem sieht sie kleine Veränderungen. „Vor zehn Jahren wäre ich dem sozialen Tod ausgesetzt gewesen.“ Und heute raunen ihr ihre Nachbarn auch mal unterstützende Worte zu – wenn sie unbeobachtet sind. Immerhin. SEBASTIAN ERB

■ Langfassung des Textes mit Link zum Veranstaltungsmitschnitt unter taz.de/!115977