Oppositioneller steht erneut vor Gericht

MALAYSIA Anwar Ibrahim ist zum zweiten Mal wegen Homosexualität angeklagt. Beschuldigter: Komplott

BANGKOK taz | Seit Wochen sprechen Malaysias Medien vom „Sodomie-Prozess Nummer zwei“. Gemeint ist das am Dienstag begonnene umstrittene Verfahren gegen den populärsten Oppositionellen des Landes, Anwar Ibrahim. Dem 62-Jährigen wird vorgeworfen, 2008 einen damaligen Mitarbeiter sexuell belästigt zu haben. Homosexualität gilt im muslimisch dominierten Malaysia als schweres Vergehen, Anwar drohen bis zu 20 Jahren Haft.

Anwar selbst weist die Vorwürfe zurück und zweifelt die Unabhängigkeit der malaysischen Justiz an: „Der Prozess ist ein Komplott, um die politischen Erfolge der Opposition zu stoppen.“ In die Verschwörung sieht er vor allem seinen schärfsten Rivalen verwickelt: Premierminister Najib Razak sowie dessen Frau. Auch dass seinen Anwälten erst vor wenigen Tagen verwehrt wurde, angeblich belastende Unterlagen der Anklage einzusehen, ist für Anwar ein Beweis dafür, dass das Verfahren an den Haaren herbeigezogen ist.

Seine Befürchtungen kommen nicht von ungefähr: Der Prozess gilt als eine Neuauflage jener Vorwürfe, denen sich Anwar vor zwölf Jahren hatte stellen müssen. Nachdem er sich 1998 mit dem damaligen Regierungschef Mahathir Mohamad überworfen hatte, war Anwar als Vizepremier und Finanzminister entlassen und verhaftet worden. Menschenrechtler kritisierten, die Verfahren seien politisch motiviert. 2004 kam er aus dem Gefängnis frei, nachdem die Verurteilung wegen Homosexualität aufgehoben worden war.

Es dürfte kein Zufall sein, dass die neuen Vorwürfe publik wurden, kurz nachdem das von Anwar angeführte Oppositionsbündnis „Pakatan Rakyat“ (Volksallianz) bei den Wahlen im März 2008 deutlich hinzugewonnen hatte. Die Regierungskoalition büßte nach Jahrzehnten ihre Zweidrittelmehrheit ein.

Der Prozess gegen Anwar belastet das angeschlagene Image der Regierung noch mehr. Nach Brandanschlägen auf Kirchen in den vergangenen Wochen hatte sich Premier Najib von der Opposition anhören müssen, die Regierung sei für die zunehmenden religiösen Spannungen verantwortlich. Den von Najib geprägten Slogan „Ein Malaysia“ hält man für ein Lippenbekenntnis, um Wählerstimmen zurückzuerobern. NICOLA GLASS