Kannibale wieder vor Gericht

Die Mordanklage gegen Armin Meiwes wird ab heute in Frankfurt neu verhandelt

FRANKFURT/MAIN taz ■ Seit heute Morgen sitzt der als „Kannibale von Rotenburg“ berüchtigt gewordene 44-jährige Computertechniker Armin Meiwes wieder auf der Anklagebank. Das Frankfurter Landgericht wird sich mit einem schwierigen und umstrittenen Urteil auseinander setzen müssen: Meiwes war im Januar 2004 in Kassel wegen Totschlags zu nur acht Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden, weil er zwar einen Menschen „vorsätzlich“ getötet habe, dennoch aber kein Mörder sei.

Die Staatsanwalt hatte gegen das Urteil Revision eingelegt. Meiwes habe den 43-jährigen Berliner Diplomingenieur Bernd Jürgen B. aus niederen Beweggründen zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs vorsätzlich getötet, fachgerecht ausgeweidet, zerteilt, tiefgefroren, gekocht und gegessen. Dabei spiele es keine Rolle, dass das Opfer selbst den Wunsch gehabt habe, auf diese Weise ums Leben gebracht zu werden.

Meiwes hatte B. übers Internet kennen gelernt, er agierte als potenzieller Schlächter, B. empfand sich als Schlachtvieh und suchte seinen Metzger. B. reiste schließlich im März 2001 zu Meiwes, vor allem von dem Wunsch getrieben, kastriert zu werden. Beide bereiteten die Tat in dessen Haus im nordhessischen Rotenburg gemeinsam vor. B. trank Alkohol, nahm Schmerzmittel, teilte die Folterkammer und das Bett mit dem Angeklagten.

Im Kasseler Verfahren hatte Meiwes bis ins kleinste Detail die Torturen geschildert, die der Tötung vorausgegangen waren. B. habe darauf bestanden, dass er ihm den Penis amputierte, den dann beide zusammen aufessen wollten. Das Schlachtfest habe sich als weit weniger stimulierend erwiesen, als sie erwartet hätten. B. sei qualvoll gestorben, schließlich habe er den inzwischen Bewusstlosen mit einem Stich in den Hals von seinen Qualen erlöst. Das Schlachten selbst habe ihm keine Befriedigung verschafft, ihn stimuliere nur das Verzehren des Opfers, das er sich einverleiben müsse, um mit ihm zu verschmelzen. Ausschlaggebend sei für ihn der Wunsch B.s gewesen, sterben zu wollen. Hätte der, sagte Meiwes, es sich anders überlegt, hätte er jederzeit wieder gehen können.

Meiwes’ Verteidiger, der Rechtsanwalt Harald Ermel, wertete die Tat als „Tötung auf Verlangen“, Höchststrafe fünf Jahre. Sein Mandant bereue die Tat und sei zu einer Therapie bereit.

Im Frühjahr 2004 hatte der Bundesgerichtshof das milde Urteil aufgehoben und die Neuverhandlung des Verfahrens an die Frankfurter Richter verwiesen. Der BGH kritisierte die Kasseler Entscheidung insgesamt als fehler- und lückenhaft. Alle im Urteil verneinten Mordmerkmale seien noch einmal zu prüfen. Das Kasseler Landgericht allerdings hatte es sich trotz dieser Urteilsschelte nicht ganz leicht gemacht. Bei der Einschätzung der Psyche von Armin Meiwes folgte es einerseits den Gutachten des Sexualwissenschaftlers Klaus Beier und des Psychologieprofessors Georg Stolpmann, die beide befunden hatten, dass Meiwes trotz „schwerer seelischer Abartigkeit“ voll steuerungs-, einsichts- und damit schuldfähig gewesen sei. Er habe um die Strafbarkeit seines Handelns gewusst. Andererseits versuchte es den Spagat, einen Menschen, dessen Sexualfantasien und -handlungen ganz offensichtlich abstrus und normabweichend sind, nicht ganz und gar als bewusst handelnden Mörder zu verurteilen. Den Kannibalismus verurteilte es nicht, weil dieser in Deutschland im Gesetz nicht vorkommt.

Juristen hatten nach der Verkündigung Zweifel am Bestand der Entscheidung angemeldet. Rechtsanwalt Ermel teilte inzwischen mit, dass sein Mandant gegen eine Verfilmung seines Lebens in den USA klage, die ab März in den deutschen Kinos gezeigt werden soll. HEIDE PLATEN