Die Chinesen wollen nicht mehr frieren

CHINA Klimasünder Nummer eins will China nicht mehr sein. Aber mit der Produktion und dem Wohlstand wächst der Strombedarf

PEKING taz | In den Kohlebergwerken Chinas machten die Kumpel Überstunden, die Kraftwerke liefen auf Hochbetrieb: Im Januar erlebten die 1,3 Milliarden Chinesen einen der härtesten Winter der vergangenen Jahrzehnte. Im Nordosten des Landes fiel das Thermometer zeitweise auf minus 30 Grad.

Aber auch in milderen Wintern zittern Millionen Chinesen zwischen Dezember und Februar in ihren Wohnungen, weil die Heizkraft nur für zwölf bis fünfzehn Grad reicht. In vielen Bauernhäusern sorgt nur der Herd für Wärme, und südlich des Jangtse, wo Schanghai und Kanton liegen, werden die Häuser traditionell ohne Heizkörper gebaut. Mit wachsendem Wohlstand schalten viele Bewohner stattdessen ihre Klimaanlage auf „warm“ – auch wenn dies viel Strom frisst.

Irgendwann werden Abermillionen Chinesen mehr Komfort in ihren kalten Alltag bringen wollen. Schlechte Aussichten für Chinas Ziel, Energie zu sparen und den ersten Platz auf der Weltrangliste der Treibhausgassünder, den China nach absoluten Zahlen belegt, loszuwerden.

Ende Januar wurde daher eine neue, direkt Ministerpräsident Wen Jiabao unterstellte Behörde geschaffen: die Nationale Energiekommission. Diese soll für mehr Effizienz beim Stromverbrauch sorgen – und dafür, dass Wind, Sonne und Wasser besser eingesetzt werden. Zudem sollen grüne Energieproduzenten gefördert werden. Bis 2020, so lautet der Plan, soll der Anteil der „sauberen“ Energien von heute 4 auf 8 Prozent wachsen. Doch vielerorts wehren sich die Netzbetreiber, den teureren Strom von Windrädern abzunehmen. Jetzt will die Regierung die Stromkonzerne zwingen, Windparks an ihr Verteilersystem anzuschließen, die bislang ungenutzt in der Landschaft stehen.

Den gescheiterten Klimagipfel von Kopenhagen werteten Chinas Politiker als Erfolg. Bereits vor dem Gipfel hatten sie sich geweigert, Obergrenzen für die Menge der umweltschädlichen Abgase zu akzeptieren, die aus den Schornsteinen der chinesischen Fabriken und Kraftwerke in die Atmosphäre gepustet werden. Das Argument: China ist nach wie vor ein Entwicklungsland, das ein Anrecht auf Industrialisierung hat. Außerdem produziere die Volksrepublik mit 6 Tonnen CO2 pro Person und Jahr deutlich weniger als die USA (20 Tonnen pro Person).

Stattdessen versprach die Regierung, die „CO2-Intensität um 40 bis 45 Prozent pro Einheit des Bruttoinlandsprodukts zu verringern. Keine guten Aussichten für das Klima: Sollte die chinesische Wirtschaft weiter so schnell wachsen wie bisher, rechneten chinesische Experten aus, würden Chinas Emissionen in zehn Jahren selbst im besten Fall um 75 Prozent höher liegen als 2005.

Zugleich bekräftigt die Regierung ihr Ziel, die Industrie schnell weiterzuentwickeln, um Arbeitsplätze zu schaffen und ein Wachstum von mindestens 8 Prozent im Jahr zu garantieren. Der Stromverbrauch dürfte jährlich um 15 Prozent wachsen. Zwei Drittel der Kraftwerke werden auch in Zukunft mit Kohle gespeist werden, zudem ist der Bau Dutzender Atomkraftwerke geplant. JUTTA LIETSCH