Nachspiel für Altnazis

KRIEGSVERBRECHER

Damit hatte wohl keiner mehr gerechnet: Fast 70 Jahre nach ihren Gräueltaten werden ehemalige Wehrmachtsbeteiligte und Wachleute in Konzentrations- und Vernichtungslager von der eigenen Geschichte eingeholt. Für mindestens fünf ältere Herren in Niedersachen könnte die Vergangenheit nun nach einer neuen Rechtsinterpretation doch noch ein juristisches Nachspiel haben.

Das niedersächsische Justizministerium hatte in dieser Woche angekündigt, Verfahren wegen „nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“ nach „allen rechtlichen Möglichkeiten“ zu überprüfen und zu ahnden. Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus schien wegen der Rechtslage und -deutung kaum noch möglich. Doch nun das: Wegen der Verurteilung von John Demjanjuk scheinen neue Verfahren eingeleitet worden zu sein. Denn 2011 hatte das Landgericht München den einstigen Wachmann des Vernichtungslagers Sobibor wegen Beihilfe zum Mord in 20.000 Fällen zu fünf Jahre Haft verurteilt – ohne dass ihm ein Mord konkret nachgewiesen werden konnte. Der direkte Tatnachweis war bisher ein Muss, um Beschuldigte in solchen Verfahren verurteilen zu können. Mancher Altnazi kam da schuldfrei davon.

Das könnte sich nun ändern. Die Zentralstelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg führt bereits Vorermittlungen. Ihre Ermittlungsansätze sollen auf Freisprüche in den „Auschwitzprozessen“ in den 1960er-Jahren zurückgehen. In einem Sammelverfahren in Dortmund wird zudem ein Wehrmachtsangehöriger aus dem Landkreis Stade beschuldigt. Alfred L. ist in Italien rechtskräftig wegen eines Massakers an der Zivilbevölkerung verurteilt.

In welchem Ausmaß ehemalige Wehrmachtssoldaten und KZ-Aufseher nun doch noch vor Gericht landen, ist unklar. Sicher ist nur: Manch einer wird jetzt in seinem ruhigen Lebensabend aufgeschreckt sein.  AS