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Platz für Tüftler

NACHHALTIGKEIT I Reparieren statt wegwerfen und neu kaufen: In Repaircafés wird aus Alt Neu gemacht – der Umwelt zuliebe, um Ressourcen zu sparen

Das sind Repaircafés

Die Idee stammt aus Amsterdam, dort gibt es die Cafés seit 2009.

■ Termine: in Prenzlauer Berg in der Fehrbelliner Straße 92, jeden 1. Sonntag im Monat von 14 – 18 Uhr. In Kreuzberg in der Alexandrinnenstraße 4, jeden 1. Montag im Monat von 16 – 20 Uhr, sowie in der Urbanstraße 21, jeden 2. Sonntag im Monat von 12 – 15 Uhr (taz)

VON HANNO BÖCK

Auf dem Tisch liegt ein 94-Zoll-Flachbildfernseher der Marke Philips. Mike Tempel entfernt gerade die Schrauben auf der Rückseite. Der Fernseher gibt keinen Mucks mehr von sich und „es riecht komisch, wenn man versucht ihn anzuschalten“, erklärt Alexander. Dem 14-Jährigen gehört der Fernseher. Er hat sich durch Zeitungsaustragen das Geld dafür verdient. Vor einem halben Jahr war das, aber da hatte das Gerät schon einige Jahre auf dem Buckel. Hier im Repaircafé in Prenzlauer Berg versuchen Freiwillige in solchen Fällen den Besuchern bei der Reparatur ihrer Geräte zu helfen.

Alexanders Vater hat sogar den Schaltplan für den Fernseher aufgehoben. „Das ist sehr hilfreich, leider sind die Schaltpläne bei Geräten heute nur noch selten dabei“, sagt Mike Tempel, einer der Techniker im Repaircafé. Nach dem Aufschrauben befreit er zunächst mit einem Staubsauger die beiden Elektronikplatinen von Staub und Fusseln und macht sich auf die Fehlersuche. Mike ist von Beruf Hochfrequenztechniker und hilft im Café freiwillig mit. Er möchte damit dazu beitragen, dass Geräte nicht unnötig weggeworfen werden. Denn darum geht es hier: Kaputte Produkte reparieren statt wegwerfen, dabei Geld sparen, weniger Rohstoffe verbrauchen und damit die Umwelt entlasten.

Das Repaircafé in Prenzlauer Berg ist bereits das dritte, das in den letzten Wochen in Berlin eröffnet hat, zwei weitere derartige Initiativen gibt es bereits in Kreuzberg. Im Eingangsbereich gibt es Kaffee und Kuchen, alles kostenlos, lediglich um Spenden für die Unkosten wird gebeten. Einmal im Monat ist geöffnet.

Dann kommt Laura mit ihrem Rennrad. Die Vorderbremse tut es nicht mehr. Fast schon zu einfach für die Repaircafé-Crew. Nach wenigen Minuten hat Repaircafé-Organisator Peter Sommer das Problem behoben. „Es hat nur eine Schraubenmutter gefehlt“, erklärt er, die passende Ersatzmutter hatte er gleich parat.

Wer die Hilfe des Repaircafé in Anspruch nimmt, muss zunächst die „Hausordnung“ unterschreiben. „Das Anbieten von kaputten Gegenständen zur Reparatur geschieht auf eigenes Risiko.“ heißt es da, und selbstverständlich auch: „Die Reparaturfachleute geben keine Garantie auf die mit ihrer Hilfe durchgeführten Reparaturen.“ Auch ist zu lesen, bei starkem Zulauf werde „höchstens ein Gegenstand je Besucher repariert“. Heute ist das aber kein Problem, an Überlastung leidet das Repaircafé bisher nicht. Stattdessen genießen einige der Freiwilligen die Sonne im Hinterhof und warten auf weitere Besucher.

Alexanders Fernseher ist nicht ganz so einfach wieder zum Laufen zu bringen. Der Schaltplan, das haben die Techniker inzwischen herausgefunden, gilt nur für eine der beiden Platinen im Fernseher. Den Fehler vermuten sie aber auf der anderen. Ein deutlich verfärbter Kondensator deutet darauf hin, dass er durchgebrannt ist.

„Leider sind die Schaltpläne bei Geräten heute nur noch selten dabei“

Für den Spezialkondensator hat niemand Ersatz parat und kurzfristig kaufen lässt er sich am Sonntag auch nicht. Mike Tempel will nun einen passenden Kondensator bestellen und hat mit Alexander E-Mail-Adressen ausgetauscht. Sie vereinbaren, sich bei einem der nächsten Repaircafés wieder zu treffen. Demnächst soll eins in Tempelhof eröffnen, das ist für beide günstiger gelegen.

Eigentlich war auch der Fernseher kein besonders schwieriger Fall. „Richtig kompliziert wird es, wenn man nicht sieht, was kaputt ist“, sagt Mike Tempel. „In dem Fall war die Verfärbung deutlich zu erkennen. Wenn das nicht so ist, braucht auch ein ausgebildeter Fernsehtechniker einige Stunden, um den Fehler zu finden. Und da sagen eben viele: ‚Das lohnt sich nicht, da kauft man gleich ein neues Gerät.‘“

Genau das wollen sie hier verhindern.

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