IM MAUERPARK
: Sammlerfeindlich

Im Mauerpark steige ich nicht mehr vom Fahrrad ab, dafür bin ich zu alt

In der Dämmerung leuchten die Farben besonders schön. Das Graue wird grauer und alles Rötliche wird röter. Die neuen orangenen Mülleimer im Mauerpark zum Beispiel, die strahlen wie batteriebetrieben. Bei genauerer Betrachtung sehen sie auch aus, als würden sie jeden Moment loslaufen. Sie sind so groß und schlank mit lustigen Öffnungen, die aussehen wie offene Münder. Ein bisschen wie Muppets-Handpuppen, nur aus Blech. An der Stelle, wo bei Miss Piggy die herzförmige Zunge ist, ist hier die Öffnung für den Müll. Ich glaube nicht, dass sie besondere Geräusche machen, wenn man was reinschmeißt. Probiert hab ich es noch nicht. Im Mauerpark steige ich nicht mehr vom Fahrrad ab, dafür bin ich zu alt. Ich habe mir auf diesen Wiesen so viele Erkältungen eingefangen, das reicht für den Rest meines Lebens.

Ganz im Geheimen habe ich ja den Verdacht, dass diese neuen Tonnen aufgestellt wurden, um den Flaschensammlern und -sammlerinnen im Mauerpark das Leben schwer zu machen. Der obere Teil nämlich, der Oberkiefer des blechernen Muppets quasi, ist nicht nur ein Sichtschutz. Nein! Er behindert bestimmt auch ungemein beim Hineingreifen in die Tonne. Ganz abgesehen davon, dass die Müllbehälter jetzt so tief sind, dass man überhaupt nicht mehr mit dem Arm bis nach unten kommen kann, es sei denn, man hat eine schlimme Krankheit, Gigantomanie, oder so. Außerdem ist die Öffnung so klein, dass ich gar nicht weiß, ob ein erwachsener Mann mit seinem Arm da hindurchpassen würde. Männerarme sind meist dicker als Frauenarme. Und wenn dann noch Kleidung drüber ist?

Vielleicht sollte ich doch mal wieder im Mauerpark anhalten, vom Fahrrad absteigen, mich auf die Wiese setzen und ein Bier trinken. Und wenn ich ausgetrunken habe, dann stelle ich die leere Flasche neben die Tonne, genauso wie ich es damals gelernt habe. LEA STREISAND