Erkenntnis im Museum

Der Schweizer Markus Brüderlin will als neuer Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg die Schnittstellen zwischen den Künsten deutlich machen. Beneidenswert ist, dass er dabei bis auf Weiteres keine Geldsorgen bekommen wird

Ist noch ein Museumsetat drin, im Stadtsäckel? Und wie viel Geld gibt der Kulturminister, der keines mehr hat und statt dessen in Niedersachsen gern mehr Effizienz durch „professionelleres“ Management fordert? Das sind so Sorgen, existentielle zumal, die den neuen Direktor des Kunstmuseums Wolfsburg, Markus Brüderlin, nicht plagen werden. Denn die Wolfsburger Einrichtung wird seit ihrer Gründung 1994 privat von der Kunststiftung Volkswagen finanziert, die ihrerseits von den Erträgen der Holler-Stiftung lebt.

Das Kunstmuseum Wolfsburg ist damit finanziell autark. Und inhaltlich agil: Es geht vor allem um moderne und zeitgenössische Kunst, um Einzelausstellungen (derzeit: Eberhard Havekost), aber auch Themen- und Gruppenausstellungen wie „Generation X – Junge Kunst aus der Sammlung“. Diese beschränkt sich übrigens auf Zeitgenossen, wobei man in Wolfsburg viel Wert auf Vermittlungsarbeit für die jährlich rund 70.000 BesucherInnen legt.

Der Schweizer Markus Brüderlin beerbt nun den Gründungsdirektor Gijs van Tuyl und will künftig einen Schwerpunkt auf Schnittstellen legen – Schnittstellen zwischen Kunst und anderen Disziplinen wie Architektur, Design und Wissenschaft. Wie das dann in realiter aussieht? „Es geht um die Inszenierungsform“, sagt Brüderlin. Bei der Ausstellung „ArchiSkulptur“ beispielsweise treffe Bildhauerei auf Architektur, wobei „wir die Architekturmodelle wie Kleinskulpturen behandeln. Da steht dann eine Holzskulptur neben einem Holzmodell von einer Kirche. Die Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten fallen Ihnen wie Schuppen von den Augen.“

Klingt pädagogisch, und tatsächlich hat Brüderlin, Jahrgang 1958, in Wien neben Kunstgeschichte und Philosophie auch Kunstpädagogik studiert. Danach arbeitete er als freischaffender Kurator und war von 1994 bis 1996 Kurator beim österreichischen Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. 1996 wurde er Leitender Kurator der Fondation Beyeler in seiner Geburtsstadt Basel. Zuletzt konzipierte Brüderlin für die Fondation die besagte Ausstellung „ArchiSkulptur“, die derzeit im Guggenheim-Museum in Bilbao und ab April in Wolfsburg zu sehen ist. Brüderlin: „Die Ausstellung hatte ich sozusagen im Koffer.“

Im Gegensatz zur Grenzüberschreitung des Crossover geht es Brüderlin bei seinem Konzept des Austauschs zwischen den Disziplinen „nicht um Vermischung, sondern um Verschärfung der Differenz“. Außerdem möchte er dem historischen Kontext der Kunstwerke breiteren Raum einräumen. Die Kunstvermittlung dürfte also weiterhin großes Anliegen des Kunstmuseums Wolfsburg sein, neben dem dezidiert nach außen gerichteten Vorhaben, das Museum durch bauliche Maßnahmen wieder „stärker in Szene zu setzten. Klaus Irler