„Herkunft und Geschmack entscheiden“

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des „Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft“, sieht in der Globalisierung Chancen für regionale Kreislaufwirtschaft: Sie bietet Transparenz und damit überprüfbare Qualität

taz: Mit der Globalisierung der Landwirtschaft geht ein weiterer Trend einher: der Zug zur Regionalisierung. Die Verbraucher wollen Lebensmittel aus der näheren Umgebung. Ist das eine Mode oder hat dieser Trend Zukunft?

Felix Prinz zu Löwenstein: Die Globalisierung der Landwirtschaft wird fortschreiten. Gleichzeitig bietet sich aber die Chance, den Trend zur Regionalisierung zu nutzen und durch eine richtige Vermarktungspolitik sogar noch verstärken.

Was ist dafür notwendig?

Wir müssen hinter dem Produkt den Bauern sichtbar machen, damit es nicht anonym bleibt. Ein Beispiel ist das Projekt „Bio mit Gesicht“. Dort haben die Kartoffeltüten eine Nummer, die man im Internet entschlüsseln kann. Verbraucher erfahren so, von welchem Betrieb die Kartoffeln kommen.

Ist das ein Konzept für eine globalisierte Welt?

So etwas funktioniert auch auf internationaler Ebene. Der ganze Faire Handel baut auf diesem Prinzip auf. Die Menschen wollen wissen, wo ihr Geld hingeht. Wenn man ihnen das sagt und zugleich erläutert, wieso das Geld gut angelegt ist, dann sind immer mehr Verbraucher bereit, einen höheren Preis zu zahlen.

Das Verhalten der Verbraucher an den Theken scheint ihre These nicht zu bestätigen.

Da gibt es durchaus ermutigende Beispiele, wie die Pläne der Bauernmolkerei in Nordhessen: Auf deren Milchflaschen klebt ein kleiner Zettel, der einen Aufschlag von 5 Cent pro Flasche erklärt. Der Aufschlag geht direkt an die Bauern in der Region, damit diese von ihrer Milchproduktion leben können. Die Menschen kaufen bevorzugt diese Milch – weil sie mit ihrem Kauf Verantwortung übernehmen wollen.

Mit der viel zitierten Wettbewerbsfähigkeit hat das aber wenig zu tun.

Dieser Begriff bezeichnet einen Preiswettbewerb, der fatale Folgen für unsere Bauern hat. Wer von ihnen soll in Landschaften wie Südhessen, Niederbayern oder dem Münsterland noch überleben, wenn das nur die können, die Weltmarkt-fit sind? Dann bleiben nur agrar-industrielle Betriebe übrig. Was wir brauchen, sind regionale Wirtschaftskreisläufe innerhalb der globalisierten Welt. Wie das funktionieren kann, zeigt der Wein. Da interessiert die Menschen nicht, wo sie den billigsten Tropfen finden, sondern wo er herkommt und wie er schmeckt.

Sind Sie Gegner einer transnationalen Agrarwirtschaft?

Sie ist eine Realität, die wir uns nicht wegwünschen können. Umso notwendiger ist es aber, sich als Gesellschaft für die ländlichen Räume und ihre Bauern zu engagieren. Leider entstehen durch die beschlossenen Kürzungen im EU-Haushalt neue Gefahren.

Wo liegen diese Gefahren?

Die finanzielle Förderung der Bauern beruht auf zwei Säulen. Bei der ersten Säule geht es um Direktzahlungen, die pro Hektar als Einkommenstransfer berechnet werden. Die zweite Säule besteht aus den Agrarumweltprogrammen und Programmen zur Entwicklung im ländlichen Raum. Hier werden Zusatzleistungen über die eigentliche Produktion hinaus belohnt. Bei den unlängst beschossenen Kürzungen des EU-Haushaltes ist vorwiegend die zweite Säule beschnitten worden. Damit sieht es düster aus für Feuchtwiesen, regionale Vermarktungsprojekte oder den ökologischen Landbau.

Wie sähe eine fortschrittliche Lösung trotz der notwendigen Haushaltskürzungen aus?

Es steht den Nationalstaaten offen, Mittel aus der ersten Säule in die zweite Säule umzuschichten – man muss das nur politisch wollen. Auch könnte man die Direktzahlungen der ersten Säule nach oben kürzen und ihre Höhe an die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Mitarbeiter binden. So entsteht weiterer Spielraum für die Umschichtung und gleichzeitig der Anreiz, Arbeitsplätze zu schaffen.

INTERVIEW: TILMAN VON ROHDEN