die taz vor 7 Jahren über verfolgte dissidenten in iran
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Notruf aus Teheran: Binnen drei Wochen wurden in der Islamischen Republik Ende letzten Jahres fünf Dissidenten ermordet, Hunderte fürchten um ihr Leben. Seit dem 25. August vergangenen Jahres ist der Gründer der „Vereinigung für Demokratie im Iran“, Pirus Davani, spurlos verschwunden.

Um auf das Schicksal der bedrohten iranischen Literaten und Intellektuellen aufmerksam zu machen, veröffentlichen dieser Tage verschiedene deutsche Medien Auszüge ihrer Werke. Die taz bringt Verse aus dem Gedicht „Buchstaben und Punkte“ von Ali Salehi. Der Mittvierziger gehört zuden sozialkritischen Dichtern des Landes. Zudem veröffentlichte er Romane – teilweise unter Pseudonym. Um den iranischen Schriftstellern Gehör zu verschaffen, werden heute um 19 Uhr im Berliner Haus der Kulturen der Welt in Deutschland lebende Literaten Texte der Bedrohten lesen. Angesagt haben sich der Vorsitzende des deutschen PEN, Christoph Hein, die Schriftsteller F. C. Delius, Klaus Schlesinger, Pieke Biermann sowie der in Deutschland lebende Iraner Faradsch Sarkuhi.

Im Iran kursieren angeblich immer neue Todeslisten, die Zahl der darauf aufgelisteten Namen reicht inzwischen bis zu 180. Verfasser der Listen sind angeblich hohe Mitarbeiter der Staatsverwaltung, vielleicht sogar Mitglieder der Staatsführung selbst. Gestern meldete das iranische Fernsehen die Festnahme von zehn Personen im Zusammenhang mit den Morden. Um wen es sich handelt, wurde nicht bekannt. Anschließend habe sich ein Team von Sonderermittlern mit Staatspräsident Chatami getroffen, um ihn über die jüngsten Ergebnisse zu unterrichten. Dieser ermahnte die Ermittler, sich nicht von Propaganda beeinflussen zu lassen und ihre Arbeit „ernsthaft und entschlossen“ fortzuführen. Beobachter konstatieren in den letzten Monaten eine zunehmende Brutalisierung. Zu den Opfern könnten auch die zuletzt ermordeten fünf Dissidenten gehören.Thomas Dreger, taz v. 13. 1. 1999