Bodenständige Genossen

Die Kellerei Terlan ist eine der ältesten Genossenschaften Südtirols. Nicht nur ihre langlebigen Weißweine machen international Furore – dank genauem Blick auf Boden und Mikroklima

VON LARS KLAASSEN

Genossenschaften sind eine feine Sache: Sie machen kleinen Produzenten das Leben leichter. Aber dass eine Kellereigenossenschaft in Südtirol herausragende Weißweine der Region, ja ganz Italiens herstellt? An mangelnder Konkurrenz liegt das nicht. Südtirol ist zwar eines der kleinsten Weinbaugebiete Italiens. Durch seine geografische Lage aber auch eines der vielfältigsten. Die Region liegt im Spannungsfeld zwischen Norden und Süden. Zwischen alpinem und mediterranem Klima. Zwischen schroffer Felslandschaft und sanften Hängen. Die Alpen im Norden schützen vor kalten Winden. Und sorgen für kühle Nächte, die ein langsames, gleichmäßiges Reifen der Weintrauben ermöglichen.

Mitten im Weinbaugebiet Terlan, zwischen Bozen und Meran gelegen, wurde im Jahr 1883 eine der ersten Kellereigenossenschaften Südtirols gegründet. Damals setzten sich 24 Weinbauern das Ziel der gemeinsamen Produktion und Absatzförderung. Heute gehört die Kellerei Terlan mit rund 100 Mitgliedern, einer Anbaufläche von etwa 150 Hektar und einer Gesamtjahresproduktion von 11.000 Hektolitern, also 1,2 Millionen Flaschen zu den kleineren Betrieben des Landes. Die überschaubare Größe trägt wesentlich zur Qualitätssicherung bei.

Doch es sind zuerst die besonderen Bodeneigenschaften, die den Charakter der Terlaner Weine prägen: Im geschützten Talkessel am Fuße des Tschöggelberger Höhenzuges finden die Reben zwischen 250 und 900 Meter über dem Meeresspiegel ideale Wachstumsbedingungen vor. Unter der sandig-lockeren und damit wasserdurchlässigen obersten Schicht befindet sich vulkanisches Gestein. Dessen hoher Mineralgehalt gibt den Terlaner Weinen ihre besondere Note. Zugunsten der Weinqualität wird von der Kellerei ein reduzierter Stockertrag gefördert. Die Rebe lagert dadurch wesentlich mehr Inhaltsstoffe in die Traube ein. Das gehaltvollere Lesegut fördert entsprechend substanzreiche, konzentrierte Weine. Auch die Gestaltung der Auszahlungspreise nach Traubengüte spielt dafür eine wichtige Rolle. Darüber hinaus ist die geeignete Sortenwahl für die verschiedenen Lagen von Bedeutung. Dazu nutzt man in der Kellerei Terlan die langjährigen Erfahrungen aus dem getrennten Weinausbau nach Lagen und Mikroklimen.

Rudi Kofler, der Kellermeister der Genossenschaft, hält engen Kontakt mit den Weinbauern. Leitfaden beim Erfahrungsaustausch ist eine naturnahe, umweltschonende Rebkultur. Beim Ausbau steht die Betonung des Gebietstyps im Vordergrund. „Harmonie im Weinberg ergibt Harmonie im Wein“, lautet das Motto der Genossen. Das Ergebnis: Die Terlaner Weine speichern die Besonderheiten von Boden und Klima.

Das Schlüsselwort im Keller heißt Zeit: langsamer, sanfter Weinausbau. Die Weine liegen oft jahrelang auf der Hefe, ehe sie sich im Fass und in der Flasche ohne Eile zu ihrer Vollendung entwickeln dürfen. Dabei zählt weniger die Förderung von Primäraromen als jene von sekundären und tertiären Aromen, die kennzeichnend sind für das Terlaner Terroir. Besondere Raritäten werden erst nach bis zu zehnjähriger Reifezeit auf die Flasche gefüllt. Sie zeugen von der Langlebigkeit und Lagerfähigkeit der Terlaner Weine.

Je nach Stilistik werden die Weine in unterschiedlichen Fässern ausgebaut: im Edelstahltank, im großen Holzfass oder im Barrique. Die unterschiedlichen Ausbaumethoden ergeben verschiedene Qualitätslinien. Den Grundstock bildet die „klassische Linie“ mit sämtlichen weißen und roten Südtiroler Sorten (Weißburgunder, Sauvignon, Chardonnay, Müller-Thurgau, Gewürztraminer und Ruländer; Blauburgunder, Lagrein, Cabernet, Merlot und Vernatsch). Diese Weine kommen relativ frisch auf den Markt und werden vorzugsweise jung getrunken.

Die Weine aus der „Lagenlinie“ stammen von ausgesuchten Weinberglagen. Das Lesegut wird getrennt nach seiner Herkunft ein Jahr im großen Holzfass ausgebaut. Erst nach optimaler Flaschenreife kommen diese eigenständigen, charaktervollen Weine in den Verkauf.

Zur Qualitätsspitze gehört die „Selektionslinie“: Das hierfür verarbeitete Lesegut wird unter Anleitung der Kellerei nach genau definierten Qualitätskriterien angebaut. Dazu gehört unter anderem die Begrenzung des Ertrags auf 60 bis 70 Dezitonnen pro Hektar.Die größte Herausforderung ist es jedoch, aus den hochwertigen Trauben ein ebensolches Endprodukt zu gewinnen. Der Weg dorthin führt über den Ausbau im Barrique.

Eine Reihe internationaler Auszeichnungen belegen, dass die Terlaner ihr selbst gestecktes Ziel regelmäßig erreichen. Geringer Säuregrad und hohe Mineralität erzeugen komplexe und elegante Weine mit reicher Frucht. Ungewöhnlich langlebige Weiße, wie der 93er Chardonnay Kreuth oder der Pino Bianco Vorberg aus dem selben Jahr machen Lust auf mehr.