Todesfalle Hadsch: Mehr als 360 Tote durch Massenpanik in Mekka
: Ritual und Masse

Die Hadsch, die Pilgerfahrt nach Mekka, gilt gläubigen Muslimen als religiöse Pflicht. Doch für mehr als 360 Menschen endete sie wieder einmal tödlich. Ein eingestürztes Hotel in Mekka und eine Massenpanik, bei der viele Pilger zu Tode getrampelt wurden – die an Katastrophen nicht arme Geschichte der Hadsch wurde in diesem Jahr um zwei blutige Tragödien bereichert.

Das saudische Königshaus schmückt sich gern mit dem Titel „Wächter der heiligen Stätten“. Nun muss es sich die Frage gefallen lassen, ob es diesem Job überhaupt gerecht wird. Die fatalistische Ausflucht, vom „gottgegebenen Schicksal“ zu reden, reicht vielen da schon lange nicht mehr aus. Und dass sich viele Pilger zu undiszipliniert verhielten, wie die saudischen Behörden nun als Rechfertigung hervorbringen, kann nicht verhehlen, dass die Sicherheitskräfte offenbar unfähig sind, die Pilger in die richtigen Bahnen zu lenken.

Das ist allerdings auch keine einfache Aufgabe. Die Hadsch-Zeremonie ist sicherlich das schwierigste Großereignis der Welt. Rund 2,5 Millionen Pilger – 34-mal so viele Menschen, wie in das Berliner Olympiastadion passen – bewegen sich eine Woche lang nach einem genau festgeschriebenen Ritus von einer Hadsch-Station zur anderen. Und es werden immer mehr: Der Islam ist die am schnellsten wachsende Weltreligion, die zunehmenden Reisemöglichkeiten tun ein Übriges. Viele Pilger haben das erste Mal ihr Dorf verlassen. In diesem babylonischen Sprachengewirr sind mündliche Ansagen von nur begrenzter Wirkung.

Die saudischen Behörden haben auch schon eine Menge versucht, um das Problem in den Griff zu bekommen: Sie haben Mekka und Umgebung zu einem gigantischen Verschiebebahnhof ausgebaut und bemühen sich, die Zahl der Hadsch-Visa zu begrenzen. Doch bei einem Ritual, das jeder Muslim einmal im Leben durchlaufen haben sollte, geraten sie rasch an ihre Grenzen.

So führt kein Weg daran vorbei, das Ritual zu verändern, um es dem Massenansturm anzupassen. Einige islamische Rechtsgelehrte gehen diesen pragmatischen Schritt: Sie empfehlen, die Hadsch in die Länge zu ziehen und die Riten des Propheten neu auszulegen. KARIM EL-GAWHARY