„Das Pendel schlägt zurück“

Firmen in Familienhand sind sozialer orientiert als Großkonzerne. Nur hindern sie interne Streitigkeiten daran, ihre Potenziale auch zu vermarkten, sagt Unternehmensforscher Knut Lange

INTERVIEW: SVEN PRANGE

taz: Herr Lange, nachdem Familienunternehmen Jahre lang als altbacken abgetan worden sind, haben sie spätestens seit der Heuschreckendebatte wieder einen guten Ruf. Zu Recht?

Knut Lange: In der Tat, jetzt schwingt das Pendel zurück. Die großen Konzerne mit ihrem Shareholder-Value-Gedanken gelten nicht mehr als zukunftsfähig. Dagegen versuchen Familienunternehmen häufig noch, sozial zu agieren.

Über wen sprechen wir eigentlich, wenn wir Familienunternehmen sagen? Letztlich ist etwa ein Großkonzern wie Bertelsmann, Dr. Oetker oder die WAZ genauso in Familienhänden wie der Mittelständler um die Ecke.

Familienunternehmen heißt nicht gleich Mittelstand. Das können sowohl echte Konzerne als auch ganz kleine Betriebe sein. Familienunternehmen beschreibt keine Größe. Dennoch gibt es Spezifika, die alle Familienunternehmen vereinen.

Zum Beispiel?

Die Masse hat Nachfolgesorgen, viele haben Probleme, Finanzquellen aufzutun oder junge, erfolgreiche Hochschulabsolventen zu finden. Dazu können Probleme in der Familie auf das Unternehmen durchschlagen.

Die zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Familie haben neben dem Vorteil der Nähe auch den Nachteil, dass sich Familienspannungen auf das Geschäft auswirken.

Bei großen Familien entstehen immer Spannungen, die das Unternehmen gefährden. Die sitzen auf Goldklumpen und kommen da aber nicht ran, wenn sich nicht alle einig sind, das Unternehmen zu verkaufen. Sie müssen lernen, ihre Familie zu managen, sonst fliegt das Unternehmen auseinander. Bei Bertelsmann zum Beispiel konnte man das zuletzt sehen: Da stirbt der Besitzer, dann wird von der Erbin der Manager entlassen und der gesamte Konzern anders ausgerichtet.

Wie Bertelsmann gelten Familienunternehmen vom alten Schlag als autoritär geführt, unbeweglich und konservativ. Stimmt das?

Viele Familienunternehmen sind noch sehr patriarchalisch geführt. Oft tritt aber erst jetzt die erste Generation nach dem Krieg ab, die waren sehr bodenständig und autoritär. Die Jüngeren sind anders, die haben studiert, waren zum Teil im Ausland, da gibt es die Bereitschaft zur Veränderung.

Ist es an Rhein und Ruhr schwieriger, einen kleinen Markennamen aufzubauen als im Sauerland oder in Baden-Württemberg? Hier ziehen die Großkonzerne doch alle Aufmerksamkeit auf sich

Auch im Ruhrgebiet sind viele Familienunternehmen. Aber natürlich müssen die viel mehr um öffentliche Aufmerksamkeit buhlen, als einer auf der Schwäbischen Alb, der dort größter Arbeitgeber im Städtchen ist.

Viele Unternehmer aus dem Mittelstand klagen über die hohen Kosten in Deutschland. Zu Recht?

Der deutsche Mittelstand ist generell zu finanzschwach. Die Steuerpolitik hat es zu lange als nicht attraktiv angesehen, wenn Geld im Unternehmen bleibt. Wir haben eine zu geringe Eigenkapitalquote. Jede Menge politische Rahmenbedingungen könnten verbessert werden, rot-grün hat Politik für das internationale Großkapital gemacht. Das liegt auch daran, dass die meisten Politiker das normale Familienunternehmen gar nicht kennen.

Also das Familienunternehmen als tragisches Opfer der Globalisierung?

Nein. Sie tragen da zum Teil auch selbst Schuld dran. Die Unternehmen müssen sich besser aufstellen. Der Firmenchef alter Schule etwa hat in der Regel ein unterentwickeltes Controlling. Das kann man sich nicht mehr leisten. Dazu müssen sie flexibler werden, sich neue Finanzquellen zu erschließen. Die Angst vor Private Equity ist übertrieben.