kehraus
: Der verschlankte Jesus

Wenn einer Eckkneipe die Zecher fehlen, macht sie dicht. Und wenn der Kirche die Gläubigen ausgehen? Das Ruhrbistum handelte gestern wie ein Kneipenwirt. 96 Sakralbauten werden geschlossen, jede zweite Personalstelle soll gestrichen werden. Grund: Mitgliederschwund und sinkende Kirchensteuereinnahmen. Hintergrund?

Seit Anfang des dritten Jahrtausends nach Christi Geburt lassen sich Bistümer von Unternehmensberatern durchleuchten. Ob Osnabrück, Mainz oder Ruhrrevier – McKinsey hat die Geistlichkeit entdeckt. Und nun soll das McKinsey-Rezept – für Großkonzerne erfunden – eben Kirchen fit machen: Mit weniger Personal und mehr Kooperation sollen Synergien erzeugt werden. Die verschlankten Einrichtungen sollen sich besser behaupten. Das Hohelied der ökonomischen Vernunft in der Kantorei ist eine fatale und traurige Entwicklung.

KOMMENTAR VON CHRISTOPH SCHURIAN

Wenn sich evangelische und katholische Religionsgemeinschaften dem Sanierungsrat von McKinsey beugen, verlieren sie doppelt ihre Richtschnur. Denn das, was Kirche immer noch notwendig macht, ist eine Verweigerung des unbedingten Verwertbarkeitsgedanken. Für den Glauben braucht es den Großapparat nicht, aber fürs Karitative.

McKinsey zu konsultieren war der zweite Fehlgriff – für die Radikalsanierer war es ein Segen! Denn die selbst ernannten Problemlöser wollen ihren Ruf aufpolieren: McKinsey ergatterte wiederholt Millionenaufträge von der Arbeitsagentur und saß zuvor in der Hartz-Kommission. Bei der sauerländischen Firma Grohe rieten sie zuletzt den multinationalen Investoren dazu, nur jeden Dritten zu halten und die Produktion des Armaturenherstellers nach China zu verlegen. Mit dieser Bedrohung aus Asien begründen die Marktwirtschaftler von „The Firm“ fast immer ihre wenig arbeitnehmerfreundlichen Pläne.

Aber damit haben sie wohl kaum das Ruhrbistum herum gekriegt, oder?