Der Kampf um die Satzungshoheit

Auf dem Parteitag der WASG wählt der linke Flügel sich selbst in den Vorstand. Die „Realos“ blieben den Vorstandswahlen wieder einmal fern und erwägen juristische Schritte. Bei der PDS ist Klaus-Rainer Rupp einer seiner eigenen Nachfolger

Bremen taz ■ Der linke Flügel war nahezu unter sich bei der gestrigen Landesmitgliederversammlung der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG). Der „Realo“-Flügel um den alten Vorstand blieb auch dem zweiten Anlauf zur Vorstandswahl fern.

Der erneute Anlauf war nötig geworden, nachdem die Vorstandswahl im Dezember wegen Beschlussunfähigkeit abgebrochen wurde. Zahlreiche AnhängerInnen des zurückgetretenen Vorstandes hatten zuvor aus Protest gegen die sich abzeichnende Verschiebung des Kräfteverhältnisses den Saal verlassen.

Gestern wurde das Quorum wieder nicht erfüllt. 58 von 184 Mitgliedern zählte man vor der Abstimmung. Der geschäftsführende Vorstand argumentierte, dass die Fortführung des letzten Parteitages laut Landessatzung auch dennoch möglich sei – und ließ abstimmen. Antonie Brinkmann, Schatzmeisterin des alten Vorstandes, gab ihren Protest zu Protokoll. Nun erwägen die Gegner des neuen Vorstandes, das parteiinterne Bundesschiedsgericht anzurufen, wie Jörg Güthler, ebenfalls dem „Realo“-Flügel zuzuordnen, erläutert. Eine Klage stünde jedoch erst ganz am Ende der Überlegungen. Die „Realos“ halten die Auslegung der Satzung durch den Vorstand für unrechtmäßig und blieben der Wahl fern. „Die Wahl muss wiederholt werden, bis das Quorum erfüllt oder beim dritten Anlauf hinfällig ist“, sagt Güthler. Was er sich davon erhofft? „Die Einhaltung der Satzung.“

In den erweiteren Vorstand gewählt wurden unter anderem Verena Saalmann und André Podziemski. Mit Saalmann, Mitglied der „Sozialistische Alternative (SAV)“, ist das Linksaußen-Spektrum vertreten. Podziemski hat einen gewerkschaftlichen Hintergrund und ordnet sich „zwischen den Flügeln“ ein.

Stein des Anstoßes in der WASG ist vor allem das Verhältnis zur Linkspartei.PDS und damit auch zur Regierungsbeteiligung wie in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Der neuen Vorstand schließt eine Mitarbeit im Bremer Rathaus aus. „Wir wollen erst Erfahrungen in der Bürgerschaft sammeln. Eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen kommt erst in Frage, wenn sie von ihren neoliberalen Positionen abrücken“, sagt Vorstandsmitglied Jan Restat. Ex-Vorstand und Bundestagsabgeordneter Axel Troost dagegen ist „offen für die Diskussion“ um die Koalitionsfrage. Er fürchtet, dass die ablehnende Haltung der Bremer sie in der Bundes-WASG isoliert. „Inhaltlich sind die Differenzen zur PDS marginal“, glaubt Vorstandsmitglied Wolfgang Meyer.

Gewählt wurde gestern auch bei der PDS. Statt eines Vorsitzenden hält dort nun ein vierköpfiges Sprechergremium die Fäden in der Hand – „um einen Generationenwechsel zu erleichtern“, wie der frühere Vorsitzende und jetzige Landessprecher Klaus-Rainer Rupp sagt.

Mit einer Fusion beider Parteien bis zur Bürgerschaftswahl wird nicht gerechnet. Sowohl Axel Troost als auch dem neuen Vorstand schwebt daher eine Liste der WASG als der landesweit stärkeren Partei vor, auf der auch PDS-Mitglieder kandidieren könnten. Rupp will sich diesem Modell nicht verschließen, solange mit dem formellen kein politischer Führungsanspruch verbunden ist. Doch bevor es an konkrete Planungen geht, müsse die WASG „erst einmal zu sich selber finden.“ Annedore Beelte