STRASSENMUSIKER
: Ich ist eine Jury

Trotzdem tauschten wir die Nummern, ich lächelte selig

Berlin ist die Hauptstadt der Straßenmusiker, das weiß jedes Kind, das weiß auch meine kleine Schwester. So kam es, dass sie mir einst zum Geburtstag 50 Euro schenkte, mit denen ich einen Straßenmusiker zu mir nach Hause für ein privates Konzert einladen sollte. Natürlich war ich über das Geschenk sehr erfreut, selten habe ich für Geburtstage eine ähnlich originelle Idee. Was sie allerdings nicht wusste: In Berlin spielen sehr viele Musiker auf der Straße, doch nur wenige sind auch gut.

So verbrachte ich erst Monate, dann Jahre damit, mich in einer Jury à la DSDS zu wähnen – nur dass niemand davon wusste. Inkognito zwar, doch mit fiesem Juryblick bewertete ich fortan Sommer für Sommer die Musizierenden, die sich unbedarft vor mir auf die Straße stellten, um auf meinen Applaus und meine Münzen zu hoffen. Die Ankerklause in Kreuzberg ist ein guter Ort für solche Aktionen, der Hippie-Balkon samstags beim türkischen Markt auch – der Mauerpark im Prenzlauer Berg weniger.

Es mag sein, dass Musiker in Berlin von der Straße weg an einen Plattenvertrag geraten. Zu mir in die Wohnung geriet bislang keiner: Wenn auch zufällig an einem lauen Abend im letzten Sommer endlich ein Gitarrist mit melodischer Stimme nahe dran war. Meine Freundin schämte sich etwas, als ich den Kandidaten darauf ansprach, zu offensichtlich hatte er eine Folkstimme, hieß zufälligerweise John und kam natürlich aus Kentucky. Trotzdem tauschten wir die Nummern, ich lächelte selig, meine Freundin verlegen. Ich versprach ihm eine Grillparty mit Freunden in meinem Garten, er versprach mir seine besten Songs. Die private Party war schnell verkündet – und auch schnell wieder abgesagt. Schuld war eine Magenverstimmung. Als diese weg war, war John längst weitergezogen. Mal sehen, wer es in diesem Sommer ins Finale schafft. GINA BUCHER