Erikssons Verführung

Englands Fußball-Nationaltrainer ist einem als Scheich verkleideten Reporter auf den Leim gegangen. Dabei plauderte er unter anderem aus, David Beckham zu Aston Villa holen zu wollen

AUS LONDON RAPHAEL HONIGSTEIN

Man weiß in England jetzt nicht genau, was man Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson eigentlich mehr verübeln soll: seine offensichtliche Untreue oder seine grenzenlose Naivität. Die Masche mit dem falschen Scheich, der mit Unsummen um sich schmeißt und im Gegenzug peinliche Geständnisse seiner geldgierigen Opfer auf einer versteckten Kamera aufzeichnet, wird von Reporter Mazher Mahmood seit 1998 mit Erfolg angewandt und hat auf der Insel einen ziemlich langen Bart. Zuletzt fielen darauf nur noch etwas unbedarfte Menschen wie die Prinzessin von Kent sowie Tony Blairs Fitnesstrainerin herein. Vom urbanen Schweden hingegen hätte man das nicht erwartet. Dabei ist er auch noch Wiederholungstäter. Schon 2003 ließ er sich von Fotografen bei Verhandlungen mit Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch erwischen. Diesmal wurde ihm auf einer Jacht in Dubai bei Lobster und Dom Perignon das fiktive Angebot unterbreitet, einen Premier-League-Verein zu coachen. Eriksson empfahl dem vermeintlichen Investor sofort den Kauf von Aston Villa – „der Besitzer ist alt und krank“ – und erklärte sich bereit, für 7,5 Millionen Euro netto ab Juli auf der Trainerbank zu sitzen. Sein Vertrag mit dem englischen Fußballverband läuft dabei erst 2008 aus.

Zudem versprach er, David Beckham nach Birmingham zu holen, denn der sei bei Real Madrid unglücklich und würde nur allzu gern zurück nach England kommen. „Ich werde ihn anrufen und versuchen, ihn davon zu überzeugen, nach Birmingham zu kommen“, sagte der Schwede dem vermeintlichen Milliardär.

Erikssons Berater Athole Still, der mit an Bord war, bemühte sich am Sonntag, das peinliche Gespräch als „komplett hypothetische, fantasievolle Diskussionen“ hinzustellen. Es handele sich hier um eine Tatprovokation, der Mandant sei verführt worden. Das große Problem ist, dass die Story letztlich aber nur bestätigt, was mittlerweile zum Allgemeinwissen gehört: Der 57-Jährige hat Probleme mit dem Treusein, und das in jeglicher Hinsicht. Affären mit einem Fernsehstar und einer Verbandssekretärin hat man dem unverheirateten, aber fest gebundenen Freund von tibetischer Poesie schnell verziehen, doch der selbst verschuldete „Wüstensturm“ (Mirror) wirft ein schlechtes Licht auf seine professionelle Integrität.

Als eine „Möwe mit einem wandernden Auge“ hat ihn ein FA-Boss einst beschrieben. Dass der Nationaltrainer fünf Monate vor WM-Beginn in der Tat schon an den nächsten Job denkt, verstört das Fußballland gehörig. Passieren wird trotzdem nichts. Nur Jeff Powell, der erzkonservative Kolumnist der Daily Mail, forderte ernsthaft den Rücktritt des „undankbaren Söldners“. Dem Verband fehlt nicht nur die Zeit für eine drastische Maßnahme, sondern auch eine Alternative. Das kickende Personal steht außerdem weiter zu Eriksson, obwohl der in seiner Champagnerlaune in Dubai allerhand Unbedachtes über Nationalspieler wie Michael Owen („Er spielt nur wegen des Geldes bei Newcastle), Rio Ferdinand („faul“) und Wayne Rooney („kann sich nicht beherrschen“) plauderte. Eriksson hat seine Schützlinge fünf Jahre lang verhätschelt und deswegen noch reichlich Kredit. Seine Entschuldigungen wurden von den Betroffenen sofort akzeptiert. Den Fans versprach er, weiterhin zu „100 Prozent der Aufgabe verpflichtet“ zu sein. Glauben tut es niemand, aber am Ende zählen so oder so nur die Ergebnisse in Deutschland.

Ein paar Stunden nachdem die News of the World „Sven’s schmutzige Geschäfte“ von der Titelseite geschrien hatte, musste der gelackmeierte Schwede übrigens zu allem Überfluss zu einem Dinner des Fußballjournalistenverbands erscheinen. Im Ballsaal des Savoy Hotels konnte er Brian Barwick, dem schnurrbärtigen Vorstandsvorsitzenden des englischen Fußballverbands, bei relaxten Gesprächen mit Schreibern zusehen. Es wurde sogar ein bisschen gelacht, vor allem über den Vorschlag, dass die FA die auf 150.000 Euro geschätzten Spesen des Undercoverreporters mit dem Boulevardblatt doch teilen sollte. So peinlich Erikssons Indiskretionen für seine Arbeitgeber auch sein mögen – in rein finanzieller Hinsicht hat dem Verband die brisante Story am Ende einen echten Gefallen getan. Es ist ja seit langem ein offenes Geheimnis, dass Erikssons Vertrag schon nach der Weltmeisterschaft aufgelöst werden wird. Die FA hätte dem Schweden dafür umgerechnet um die 13 Millionen Euro Entschädigung zahlen müssen; er verdient sagenhafte 6,5 Millionen im Jahr. Doch der Abschied dürfte nun erheblich billiger werden. Eriksson hat sich vor Ablauf des Vertrags nachweislich nach einer neuen Stellen umgeschaut, das ist arbeitsrechtlich relevant. Und ein verdammt teures Eigentor.