Die Präsidentin der Arktis

Den Vorsitz des Arktischen Rats hat Leona Aglukkaq am Mittwoch von ihrem Vorgänger, Schwedens Außenminister Carl Bildt, an einem ungewöhnlichen Ort übernommen: am Mittagstisch, 540 Meter unter der Erde in der Erzgrube im nordschwedischen Kiruna. Kanada führt in die kommenden zwei Jahre die Organisation der Arktis-Anrainerstaaten und der konservative Premier Stephen Harper traf eine symbolische Wahl, als er mit dem Vorsitz nicht wie üblich den Außenminister betraute, sondern mit Aglukkaq die erste Inuk, die in der Geschichte Kanadas ins Kabinett berufen wurde.

Geboren und aufgewachsen in Nunavut, dem nördlichsten kanadischen Territorium, begann Aglukkaq ihre politische Laufbahn als 22-Jährige auf kommunaler Ebene. 2004 wurde sie ins Territorialparlament gewählt und war dort erst für Finanzen, dann für Sozialfragen zuständig. Seit 2008 hat die verheiratete Mutter eines Sohnes einen Sitz im Bundesparlament inne.

Die arktische Zusammenarbeit wird für die 45-Jährige nun die dritte politische Aufgabe sein, die sie zu stemmen hat. Seit 2008 ist sie Gesundheitsministerin und seit 2011 zusätzlich Chefin der nordkanadischen Wirtschaftsentwicklungsagentur. In Kiruna versprach sie, dass die Menschen der Nordregionen im Zentrum ihrer Arbeit im Rahmen des Arktischen Rats stehen würden. Sie erregte auch gleich Missfallen bei Vertretern kanadischer indigener Völker, weil sie in ihrer Arbeit den Fokus nicht in erster Linie auf Natur und Umwelt legen will, sondern auf die wirtschaftliche Entwicklung der Arktis und das Ausbeuten der Naturressourcen.

Dass die Inuit-Herkunft Aglukkaq nicht daran hindert, ein distanziertes Verhältnis zu den Forderungen indigener Völker zu haben, bewies sie schon mit ihrer Weigerung, den anhaltenden Protest von Vertretern von Kanadas First Nations zu unterstützen. Andererseits legte sie sich auch mit der Chemieindustrie an, als Kanada mit ihr als Gesundheitsministerin eine Vorreiterrolle beim Verbot der hormonverändernden Chemikalie Bisfenol A spielte. Jetzt dürften die Umweltschützer auf die Barrikaden gehen, weil sie die Arktis „für Business und Industrie“ öffnen will. REINHARD WOLFF