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Ulldall macht Arbeit

Wirtschaftsbehörde übernimmt die Steuerung der für Arbeitsmarktmaßnahmen in der zuständigen Arbeitsgemeinschaft. Langzeitarbeitslose erhalten seltener Fortbildung und sollen dafür aus zu teuren Wohnungen vertrieben werden

Von Marco Carini

„Es kann ja eigentlich nur besser werden“, glaubt Gudrun Köncke. Dass der Senat gestern beschloss, die Steuerung in der Arbeitsgemeinschaft (Arge) zu übernehmen, die die Empfänger von Arbeitslosengeld II betreut, ruft in der GAL-Arbeitsmarktexpertin leise Hoffnungen hervor. Zu oft hatten sich die Agentur für Arbeit und die Stadt Hamburg, bisher gleichberechtigte Partner in der Arge, gegenseitig blockiert. In Zukunft aber heißt es: Der Senat bestimmt die Richtlinien der Arbeitsmarktpolitik im Rahmen der bundesgesetzlichen Vorgaben allein.

Doch das bedeutet für die betroffenen Langzeitarbeitslosen nicht unbedingt Positives. Denn Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) plant, die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik weiter zu kürzen und das so frei werdende Geld direkt Hamburger Unternehmen zukommen zu lassen – in der Hoffnung, diese würden neue Arbeitsplätze schaffen. Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose sollen in Zukunft nur noch bewilligt werden, wenn sie in einer Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt münden.

Auf dieser Linie liegt auch Uldalls Plan, die Zahl der Ein-Euro-Jobs – die er nur „Aktivjobs“ nennt – abzusenken. Die heute 12.000 umstrittenen Beschäftigungsmaßnahmen sollen bis Jahresende auf 11.000 abgesenkt werden, zugunsten des nicht weniger umstrittenen Kombilohnmodells. Das sieht vor, Firmen, die Langzeitarbeitslose einstellen, mit kräftigen Lohnzuschüssen zu unterstützen, und ebnet für seine Kritiker den Weg zu einem Dumpinglohn-Sektor.

Auch wenn Uldall betont, die Zahl der geförderten Langzeitarbeitslosen werde von heute durchschnittlich 26.000 in 2006 auf 27.000 steigen, gibt es aufgrund des angekündigten Kurswechsels Skepsis bei den Gewerkschaften.

So bezweifelt der Hamburger DGB-Vorsitzende Erhard Pumm, dass sich die Situation der Langzeitarbeitslosen durch die neuen Mehrheiten in der Arge ändern werde. Er befürchtet „Mitnahmeeffekte bei den Unternehmen“ infolge des Kombilohnmodells und beklagt zudem, dass die Mittel der Arbeitsmarktförderung nicht „den Betroffenen zu Gute kommen“, sondern „für Firmensubventionen abgezogen werden“.

Dass zukünftig vor allem auch an den Unterhaltskosten für Langzeitarbeitslose gespart werden soll, zeigen die massiven Versuche der Arge, ALG-II-Empfänger zum Umzug in billigere Wohnungen zu drängen. 2.800 Haushalte, deren Mieten über den zugelassenen Höchstgrenzen liegen, wurden von der Arge seit September vorigen Jahres aufgefordert, ihre Mietkosten zu senken (siehe Kasten).

Wer nicht bereit ist, innerhalb eines halben Jahres entweder einen Untermieter aufzunehmen oder umzuziehen, dem droht die komplette Streichung des Wohngeldes. „Bei Haushalten, die den Höchstwert um mehr als 20 Prozent überschreiten und sich weigern umzuziehen, gehen wir davon aus, dass keine Bedürftigkeit vorliegt und stellen die Wohngeldzahlungen ein“, erklärt Arge-Sprecher Uwe Ihnen.

Die Drohung ist keine Zukunftsmusik: Im vergangenen Jahr wurde bereits 52 ALG-II-Beziehern jede Wohngeldzahlung aus diesem Grund verweigert. Eine Zahl, die gewaltig in die Höhe schnellen dürfte. Denn die Aufforderungen, Mietkosten zu senken, wurden erst in der zweiten Jahreshälfte 2005 in größerem Maßstab von der Arge verschickt, die Angeschriebenen haben ein halbes Jahr Zeit zu reagieren.

Andere Städte wie München verzichten auf solche Umzugs-„Erpressungen“. Begründung: Die Arbeitslosen sollten ihre Zeit lieber nutzen, einen Job statt eine neue Wohnung zu suchen.

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