Ein „sauberer“ Unternehmer

Ein ehrbarer Unternehmer, der aus eigener Kraft eine Kette von Supermärkten und Einkaufszentren auf Sizilien aufgebaut hatte: so präsentierte sich der 72-jährige Sebastiano Scuto vor seinen Richtern in Catania. Scuto war angeklagt, sein Imperium auf Sizilien mit tatkräftiger Hilfe und Kapitalspritzen diverser Cosa-Nostra-Clans aufgebaut zu haben. Seine Aligrup beschäftigte am Ende 1.600 Menschen.

Schuld allerdings wollte der Angeklagte nur in einem Punkt einräumen. In einem tränenreichen Schlusswort bekannte er sich zu „dem Fehler, Schutzgeld gezahlt zu haben“. Ein Opfer der Mafia also, nicht ein Täter, und so ging es, laut Scuto, sein ganzes Leben lang, ein Leben, das über weite Strecken einfach „ein Inferno“ war. „Schon mit 18 Jahren war ich den Schikanen der Mafia ausgesetzt und habe dagegen angekämpft“, berichtete Scuto von seinen unternehmerischen Anfängen in Catania, als die Bosse seinen Lkws angeblich den Zugang zum Hafen verweigerten.

Staatsanwälte und Richter sahen die Dinge anders. Sie glaubten den Kronzeugen – unter ihnen eine Nichte von Scutos Ehefrau –, die ein ganz anderes Bild entwarfen. Das Bild vom „sauberen“ Unternehmer, der in bestem Einvernehmen mit den Clans erst in Catania, dann auch in Palermo expandierte und in seinen Firmen Millionensummen der Cosa Nostra weißwusch. Und hatte die erste Instanz ihn im Jahr 2010 zu nur gut vier Jahren Haft verurteilt, hatte sie wenigstens Scutos Geschäfte in Palermo und Umgebung für legal gehalten, so erklärten die Berufungsrichter im April, das ganze Imperium sei im Kern eine Mafia-Firma.

Deshalb entschied es im April auf 12 Jahre Haft – am Mittwoch folgte der vorerst letzte Akt. Die Polizei rückte aus, um 48 Scuto gehörende Unternehmen und dazu 409 Immobilien zu beschlagnahmen, nicht nur auf Sizilien, sondern auch in den Städten Salerno, Monza oder Mailand. Auf Hunderte Millionen wird das Vermögen geschätzt. Die Supermarktkette und die Einkaufszentren sollen verkauft werden, die Erträge gemeinnützigen Zwecken zugutekommen. Eine allerletzte Hoffnung macht sich Scuto jedoch noch: Er hofft jetzt auf „die göttliche Gerechtigkeit“. MICHAEL BRAUN