Hilfe für Jugendhilfe

taz-Serie Bürgerbegehren (Teil 6): Spandauer Bürger wehren sich gegen Kürzungen bei der Jugendhilfe. Mit Erfolg: Der Bezirk will jetzt nachbessern

Kinderbetreuung, Familienhilfe, Therapien für Jugendliche – für all das gibt die schwarz-gelbe Koalition in Spandau immer weniger Geld aus. 2005 bewilligte der Bezirk 22 Millionen Euro für die Hilfen zur Erziehung, 2 Millionen weniger als im Jahr zuvor. Gleichzeitig ist der Bedarf hoch: Das Jugendamt, das über das Geld verfügt, hat schon 2004 3 Millionen Euro mehr ausgegeben als erlaubt – nämlich 27 statt 24 Millionen Euro. Da die überzogenen 3 Millionen aus dem laufenden Haushalt zurückbezahlt werden müssen, bleiben der Jugendhilfe für das Haushaltsjahr letztlich 19 Millionen Euro. „Verursachergerechte Konsolidierung“ heißt das im Amtsdeutsch.

Diesen Prozess des Sparens will die Spandauer „Interessengemeinschaft für Bildung – gegen Kürzungswahn“ stoppen. Zusammen mit dem Bezirkselternauschuss der Kindertageseinrichtungen reichte sie im Oktober ein Bürgerbegehren gegen die „Kürzungen im Jugendhilfehaushalt“ beim Bezirksamt ein. „Mit 19 Millionen kann der Bezirk nicht mal die Gesetze einhalten und seine Vorsorgepflicht für Kinder und Jugendliche erfüllen“, sagt Initiator Uwe Bröckl. Seit drei Monaten sammeln Bröckl und seine 19 Mitstreiter auf der Straße, in Schulen und Jugendtreffs fleißig Unterschriften. Rund 3.000 haben sie schon. Bis zum 19. Mai müssen es 4.884 werden, das entspricht 3 Prozent aller wahlberechtigten Spandauer. Dann würde ein Bürgerentscheid über den Jugendhilfeetat zustande kommen.

Doch die Initiative könnte auch ohne diesen Entscheid erfolgreich sein. „Sollte der Bezirk Kompromissbereitschaft zeigen und auf unsere Forderungen eingehen“, so Bröckl, „ziehen wir das Bürgerbegehren zurück.“ Darauf deutet vieles hin. Schließlich wird über die Finanzierung der Jugendhilfe erneut verhandelt. Denn auch der rot-rote Senat lehnte die Spandauer Haushaltsplanung ab und verlangt Nachbesserungen im Bereich Jugend in Höhe von 3,4 Millionen Euro.

Die Kürzungsgegner fordern sogar 10 Millionen und den sofortigen Stopp des Sparkurses. „Es ist genug Geld da“, sagt Bröckl, „es wird nur an der falschen Stelle ausgegeben.“ So habe der Bezirk kürzlich rund 100.000 Euro in den Lärmschutz für eine Straße gesteckt, an der niemand wohne.

Bröckl rechnet noch im Januar mit einer Einigung. Für seine Initiative, die sich seit 1996 im Bereich Jugend und Bildung engagiert, wäre das ein großer Erfolg. „Da sieht man mal, wie viel Druck man mit 3.000 Unterschriften ausüben kann.“ Der Pressesprecher des Bezirks, Lars Neunherz-Marx, widerspricht. „Wir erfüllen nur die Vorgaben des Senats.“

Wie viele Millionen am Ende wirklich fließen, entscheidet die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) – denn da der Bürgerentscheid den Haushalt berühren würde, hat er für die BVV nur empfehlende Wirkung. Diese sei aber nicht zu unterschätzen, sagt Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie: „Bei so einer wichtigen Sache wie der Jugendhilfe ist das scharfe Schwert Bürgerbegehren genau das richtige Mittel.“ SANDRA COURANT