: „Einfach genial“
Denis Gremelmayr aus Lampertheim war ein Tennisspieler, den keiner kannte. Dann besiegte er den Amerikaner Robby Ginepri. Nun steht der 24-Jährige in der dritten Runde der Australian Open
AUS MELBOURNE DORIS HENKEL
Kurz nach Neujahr spielte Denis Gremelmayr aus Lampertheim bei einem so genannten Challengerturnier in Numea, Neukalendonien. Die Insel liegt in der Südsee und gilt als ausgesprochen schön, aber dennoch hielt sich Gremelmayrs Vergnügen in Grenzen; er verlor in der ersten Runde gegen einen Franzosen namens Mathieu Montcourt, Weltranglistenplatz 202. Nach solchen Niederlagen im Irgendwo und Nirgendwo kann man sich selbst in lauschiger Umgebung ganz schön einsam fühlen. Und finanziell ist das auch nicht der Hit; oft reicht das Preisgeld in dieser Liga nicht, um die Reisekosten zu decken.
Aber das Leben hat bekanntlich immer wieder Überraschungen im Angebot. Gut zwei Wochen nach der erfolglosen Dienstreise in die Südsee gönnte sich der junge Herr Gremelmayr am Mittwoch in Melbourne einen Ausflug in die Welt des großen Tennis. Als Qualifikant beim ersten Grand-Slam-Turnier seines Lebens schaffte er das Kunststück, nach 0:2-Satzrückstand und 0:3 im dritten Satz gegen Robby Ginepri noch zu gewinnen (2:6, 5:7, 6:4, 6:3, 6:3). Der Amerikaner, Halbfinalist bei den US Open 2005, war die Nummer 13 der Setzliste und galt in dieser Partie als hoher Favorit.
Mit Genugtuung registrierte Gremelmayr, wie der andere im Laufe der Partie immer ratloser und wütender wurde angesichts seines variablen, unberechenbaren Spiels und dass er es am Ende war, der das Geschehen bestimmte. Gar nicht zu reden von der Atmosphäre in der letzten Viertelstunde der Partie. „De-nis, De-nis“, skandierten 6.000 australische Fans, die er mit seinem Kampfgeist und seiner schlauen Taktik gewonnen hatte. La Ola rollte über die Ränge der voll besetzten Margaret Court Arena, und er saß während der letzten Seitenwechsel auf seinem Stuhl und spürte, wie ihm ein herrlich kalter Schauer über den Rücken lief. „Das Beste, was ich bisher erleben durfte“, meinte er später, „einfach genial.“
Auch der Teamchef war beeindruckt. „Hut ab, wie er das nach Hause gespielt hat“, lobte Patrik Kühnen. „Das habe ich von einem jungen deutschen Spieler selten so gesehen.“ Nun ist jung ein relativer Wert. In Gremelmayrs Alter (24) haben andere längst Titel gewonnen oder gehören zumindest seit Jahren zum Stammpersonal, er aber galt im internationalen Tennis bis zu diesem Tag als unbeschriebenes Blatt. Seine Heimat waren bisher in erster Linie die Challengerturniere, und der Auftritt am Mittwoch war erst der siebte auf einem höheren Niveau.
Es ist nicht so, dass er nicht versucht hätte, früher Fuß zu fassen in der Spitzenklasse. Aber diverse Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück, und manchmal fragte er sich schon, ob es Sinn habe, weiter als Tennisprofi der zweiten bis dritten Kategorie durch die Welt zu tingeln. Aber er habe nicht aufgeben wollen ohne alles versucht zu haben, sagt Gremelmayr, und das habe eben seine Zeit gedauert. „Nur weil der Boris mit 17 Wimbledon gewonnen hat, sagen die Leute manchmal: Oh, du bist schon 24. Aber zu alt fühle ich mich jetzt wirklich nicht.“ Seit er in der Nähe von Mannheim bei Helmut Lüthy trainiert, ist er gut vorangekommen.
In der Weltrangliste stehen zurzeit elf deutsche Spieler vor Gremelmayr (177), und selbst beim Deutschen Tennisbund (DTB) ist er offenbar noch keine feste Größe; auf der Webpage des Verbandes wird der Linkshänder als Rechtshänder vorgestellt. Aber noch ein paar Spiele wie jenes gegen Robby Ginepri, und das ändert sich. Der Sieg beschert ihm nicht nur einen schönen Batzen Preisgeld – rund 28.900 Euro und damit auf einen Schlag etwa ein Drittel dessen, was er in all den Jahren bisher insgesamt kassiert hatte. Er bringt ihm vor allem aber die unbezahlbare Zuversicht, den Besten des Tennis ein guter Gegner sein zu können.
Kurioserweise schuf der Erfolg aber auch ein kleines, unerwartetes Problem. Weil er sein Hotelzimmer nur bis Mittwoch gebucht hatte, stand er nach dem überraschenden Sieg erst mal ohne Bleibe da. Dabei spürte er doch das dringende Bedürfnis, den müden Körper zur Ruhe zu betten. Selbst das Spielerhotel war ausgebucht, und so begab er sich auf die Suche nach einer Alternative, mindestens für zwei weitere Nächte. Bis zum Spiel der dritten Runde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen