Frieden in der Elfenbeinküste ist vorbei

Partei des Staatspräsidenten Gbagbo zieht sich aus Friedensprozess zurück und ruft „nationalen Befreiungskrieg“ gegen UNO und Frankreich aus. Radikale Gbagbo-Anhänger übernehmen praktisch Kontrolle über Abidjan. Kämpfe mit UN-Blauhelmen

von DOMINIC JOHNSON

Der Friedensprozess in der Elfenbeinküste ist erneut zusammengebrochen. Nach mehrtägigen Unruhen in der Hauptstadt Abidjan erklärte die Ivorische Volksfront (FPI) des Staatspräsidenten Laurent Gbagbo am Dienstagabend ihren „Rückzug“ aus dem Friedensprozess und aus der gerade erst eingesetzten Allparteienregierung, die das Land zu freien Wahlen in diesem Jahr führen soll. Zugleich rief die Partei den „nationalen Befreiungskrieg“ aus und forderte den Abzug sämtlicher ausländischen Truppen – der 4.000 Franzosen und knapp 7.000 UN-Soldaten in dem seit 2002 zwischen Regierung im Süden und Rebellen im Norden geteilten Land. Die ausländischen Truppen seien „Kräfte der Besatzung, der Ausbeutung und der Versklavung“.

Der „Befreiungskrieg“ hatte schon begonnen, als FPI-Chef Affi N’Guessan am Dienstagabend vor die Journalisten trat. Seit Montag ist Abidjan weitgehend unter Kontrolle bewaffneter Anhänger Präsident Gbagbos. Diese, „Junge Patrioten“ genant und organisiert in Milizen, errichteten Straßensperren, führten Personenkontrollen durch und organisierten Sitzblockaden vor dem Hauptquartier der UN-Mission (Onuci) und der französischen Botschaft. Sie versuchten, das Gebäude des Staatsfernsehens zu besetzen, und skandierten Sprüche wie „UNO raus!“ und „Gbagbo, Präsident für 1.000 Jahre“. Mehrere UN-Fahrzeuge gingen in Flammen auf. Armee, Polizei und Gendarmerie waren unsichtbar, ebenso Präsident Gbagbo und der im Dezember eingesetzte neutrale Premierminister Charles Konan Banny.

„Das Land unter der Fuchtel der Jungen Patrioten“, titelte gestern die unabhängige Tageszeitung L’Inter in Abidjan. Gestern weiteten sich die Aktivitäten der Milizen vor allem im Westen der Elfenbeinküste aus. In der Stadt Guiglo wurden sämtliche UN-Einrichtungen geplündert. Die 300 UN-Soldaten aus Bangladesch wurden im Morgengrauen von 2.000 Milizionären angegriffen, die sich am Vortag friedlich in das UN-Gelände begeben hatten; vier Milizionäre wurden erschossen. Das komplette UN-Personal zog sich unter Schutz der ivorischen Armee in die nächste größere Stadt Man zurück, die auf der anderen Seite der Waffenstillstandslinie im Rebellengebiet liegt. Auch aus Duékoué sollen die UN-Truppen abgezogen sein. Angriffe auf UN-Einrichtungen gab es auch in den Städten Daloa und San Pedro.

Unmittelbarer Anlass für die Konfrontation ist das jüngste Treffen der Internationalen Arbeitsgruppe (GTI), die laut UN-Friedensplan unter Führung Südafrikas den Friedensprozess in der Elfenbeinküste und die Arbeit der Regierung Banny überwacht. Am Sonntag stellte die GTI fest, die Amtszeit des im Dezember 2000 für 5 Jahre gewählten Parlaments sei abgelaufen und „wird nicht verlängert“. Im Parlament hält die FPI die Mehrheit, da die Wahlen 2000 von der Opposition boykottiert worden waren. Die ebenfalls abgelaufene Amtszeit von Präsident Gbagbo war dagegen von der UNO um ein Jahr verlängert worden.

Von „Putsch“ sprach daraufhin die FPI und schickte ihre Anhänger auf die Straße. „Wir können diese Herren von der GTI nicht weitermachen lassen“, sagte Serges Koffi, Chef des Schüler- und Studentenbundes der Elfenbeinküste (Fesci). „Als Nächstes lösen sie Armee, Schulen und sogar die Präsidentschaft auf.“

Es ist die schwerste Krise in der Elfenbeinküste seit den Kämpfen zwischen Armee und französischen Truppen im November 2004. Wie Frankreich und UNO diesmal reagieren, ist noch offen. Die Rebellen im Nordteil der Elfenbeinküste erklärten ihre „totale Unterstützung“ für die UNO und bezichtigten die FPI eines „Staatsstreichs“.