Liberalisierung der Häfen verhindert

Nach Streiks von Hafenarbeitern und Gewerkschaften lehnte es das EU-Parlament gestern ab, mehr Konkurrenz durch ausländische Firmen zuzulassen. Kommission scheitert mit ihrer Richtlinie. Be- und Entladen weiter nur durch Ortsansässige

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament gestern die geplante Hafenrichtlinie abgelehnt. 532 Abgeordnete sagten Nein zu dem Gesetz. Nur 120 Abgeordnete stimmten dafür, mehr Konkurrenz in den Häfen zuzulassen.

Die Mehrheit fürchtet Lohnverfall durch Billigkonkurrenz und den Verlust von heimischen Arbeitsplätzen für Hafenarbeiter. Die EU-Kommission wollte mit der Regelung erreichen, dass auch ausländische Firmen Verträge als Lotsen erhalten oder Schiffe entladen dürfen. Reeder könnten dann auch die Mannschaften ihrer eigenen Schiffe für das Be- und Entladen einsetzen. Die meisten Hafendienste müssten EU-weit ausgeschrieben werden. Lizenzen würden nur noch für begrenzte Zeit erteilt.

Bislang sorgen nationale Bestimmungen dafür, dass diese lukrativen Aufträge meist in der Hand von einheimischen Firmen bleiben. Das aber widerspricht den Grundsätzen der Europäischen Verträge. Sie legen fest, dass Waren, Dienstleistungen und Kapital überall in der Union die gleichen Wettbewerbsbedingungen vorfinden müssen und dass ausländische Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft zu den gleichen Bedingungen anbieten dürfen wie Einheimische. Was in den EU-Verträgen steht, will aber derzeit niemand hören. Am Montag gingen im EU-Parlament in Straßburg 100 Quadratmeter Fensterglas zu Bruch. Zornige Hafenarbeiter zeigten, was sie von der geplanten Hafenrichtlinie halten. Bereits in der Woche davor legten Streiks die europäischen Häfen lahm. Nicht nur die unmittelbar Betroffenen stützen die Proteste. Vielen Bürgern passt inzwischen die ganze Richtung nicht mehr, da sie sich von weiteren Liberalisierungen nur Nachteile erwarten. Als Beleg dafür, dass abgeschottete Märkte stets höhere Preise bedeuten, taugen die europäischen Häfen ohnehin nicht. Der Standardtarif für das Entladen eines 40-Fuß-Containers beträgt in Europa 100 Dollar. In den USA kostet die gleiche Leistung das Doppelte, in asiatischen Häfen das Dreifache. Außerdem garantieren europäische Hafengesellschaften ihren Kunden rasche Abfertigung, während es sonst oft zu langen Wartezeiten kommt.

Deshalb sehen auch die europäischen Regierungen nicht so recht, wozu eine Hafenrichtlinie gebraucht wird. Sie forderten die Kommission auf, zunächst die Folgen der geplanten Richtlinie auf Arbeitsplätze, Preise und Wachstum untersuchen zu lassen. Diese Studie liegt bislang nicht vor. Deshalb wird der Rat frühestens im Juni abstimmen. Wahrscheinlicher aber ist, dass die Kommission einen völlig neuen Vorschlag vorlegt.

Doch das Scherbengericht zur Hafenrichtlinie ist ohnehin nur die Generalprobe für ein Drama, das weit mehr Menschen bewegt. Mitte Februar steht im EU-Parlament die Dienstleistungsrichtlinie zur Abstimmung. Auch hier geht es darum, die in den EU-Verträgen festgeschriebene Liberalisierung durchzusetzen. Auch hier haben die Wähler klar gemacht, dass sie diese Grundsätze nicht mehr mittragen.